Wann ist jetzt - anhören

von Nicole Paskow

Gerade wenn der Alltag über einem zusammenbricht und man sich in lauter weltlichen Belangen wiederfindet – in Dingen, die sich schwer anfühlen oder sinnlos und unlösbar scheinen –, wäre es gut, trotzdem einmal innezuhalten und sich eine ziemlich spannende Frage zu stellen: Wann ist eigentlich „jetzt“?

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie flüchtig so ein Augenblick ist. Ich weiß nie wirklich, wohin der vergangene Moment verschwunden ist. Eben noch war ich im Supermarkt, jetzt stehe ich in der Küche. Wo ist dieser Moment hin? Er ist nur noch eine Erinnerung. Und was ist überhaupt eine Erinnerung? Wohin schaue ich, wenn ich „in die Erinnerung“ schaue?

Im Bewusstsein

Ins Bewusstsein, fällt mir ein. Ich schaue ins Bewusstsein. Aber wo das ist, weiß kein Mensch. (Nein, es ist nicht im Gehirn. Das Gehirn selbst wird ja vom Bewusstsein wahrgenommen. Es kann nicht außerhalb davon existieren.) Bewusstsein ist überall, weil alles in ihm erscheint. Wie ein weites, offenes Feld, das keine Substanz hat, jedenfalls nicht im materiellen Sinne.

Kann man Wissen messen, anfassen, betasten? Wohl kaum. Bewusstsein ist einfach das reine Wissen um etwas. Ich schaue also in das Wissen um den vergangenen Moment, als ich im Supermarkt war. Jetzt stehe ich in der Küche, und im nächsten Moment schon im Bad. Mein Aufenthalt in der Küche ist schon wieder Vergangenheit. Eine Spur im Wissen.
Es ist wirklich verrückt: Ich erlebe nur das, was jetzt passiert – in 4D und Farbe. Die Erinnerung ist wie ein Traum. Ich produziere ständig Erinnerungen, in jeder Sekunde.
Und wenn ich an morgen denke? Dann schaue ich in eine Vorstellung. Und eine Vorstellung ist letztlich auch nichts anderes als eine Erinnerung – nur, dass ich Bilder sehe, die noch nicht passiert sind. Sie finden am gleichen Ort statt: im Wissen um sie.

Was bleibt wirklich?

Ich kann also nur sagen: Ich weiß um das, was geschieht. Ich weiß um die Finger, die gerade über die Tastatur flitzen. Ich weiß um den Atem, den ich spüre, um die rote Bettwäsche, die ich mag, weil ich im Bett liege und schreibe. Ich weiß um den Hund, der am Fußende schnarcht. Ich weiß um alles. Ich habe nur dieses Wissen um die Dinge, die geschehen.

Aber meistens geschieht das: Wir verlieren uns in den Dingen, um die wir wissen. Und wenn wir uns in ihnen verlieren, vergessen wir, dass wir „nur“ um sie wissen. Dann fühlt sich alles so massiv und real an, so fest und unumstößlich, dass wir daran schier verzweifeln können.
Wir merken nicht, dass das Einzige, was existiert, ein Wissen um alles ist. 

Die Unfassbarkeit des Jetzt

Und nun zur Frage: Wann ist eigentlich jetzt? Ich glaube, das lässt sich nicht wirklich fassen. „Jetzt“ ist kaum greifbar – es dauert weniger als eine Sekunde und länger als die Unendlichkeit. Ich kann „jetzt“ sagen, und schon ist der Moment vorbei. Wann hat er begonnen? Mit dem „j“ von „jetzt“? Wie lange dauert ein „j“? Unmöglich. „Jetzt“ kann man nicht messen.

Also wissen wir: Es gibt nur ein Wissen um das, was in einer Gegenwart passiert, die nicht in der Zeit existiert. Wissen ist nicht materiell, und Materie besteht nur aus dem Wissen um sie.
Ich bestehe auch nur aus dem Wissen um mich, das ich durchs Schmecken, Riechen, Berühren, Hören und Sehen erfahre. Und eigentlich weiß ich auch nur um das Sehen, das Schmecken, das Riechen und so weiter. Auch das Hören besteht letztlich nur aus Wissen.

Ein Wissen, das so aussieht wie ich, wie Du, wie der Hund, die Wolken …
Ein Wissen, das um den Ärger weiß, um die Traurigkeit, das Unverständnis, die Verwirrung, die Freude, das Lachen – um alles.
Und wer weiß das alles? Das kann ja nur das Wissen selbst sein, das um sich weiß. Und zwar durch mich, durch Dich, durch alle.
Wir alle geschehen in diesem Wissen und sind darin auf ewig vereint. In der Ewigkeit geschieht die Zeit, von der wir wissen.

Die Leichtigkeit der Perspektive

Wenn ich mir das alles vor Augen führe, dann macht mir Staubsaugen plötzlich nichts mehr aus. Oder die Wäsche aufzuhängen, einkaufen zu gehen und so weiter.
Denn ich schaue direkt aus diesem Wissen auf das Wissen um alles. Und das ist eine Perspektive, die wirklich leicht ist.
Oder glaubst Du, dass Wissen etwas wiegt? Sag mir, wie viel!

 

 

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In einer Welt, in der das Offensichtliche selten hinterfragt wird, lädt „Ein Riss in der Realität“ dazu ein, tiefer zu blicken und die unsichtbaren Fäden zu entdecken, die unser Sein durchdringen. Dieses Buch versammelt 24 inspirierende Essays, die ursprünglich als Adventskalender auf Nicole Paskows Blog entstanden sind.

Jeder Text öffnet ein neues Fenster in die Weiten unseres Bewusstseins und ermutigt den Leser, die wahre Natur des Menschseins zu erkunden. Es ist eine Einladung, mit den inneren Augen zu sehen und die Klarheit zu finden, die in der Essenz unserer Existenz verborgen liegt.