Wann ist jetzt - anhören
Gerade wenn der Alltag über einem zusammenbricht und man sich in lauter weltlichen Belangen wiederfindet – in Dingen, die sich schwer anfühlen oder sinnlos und unlösbar scheinen –, wäre es gut, trotzdem einmal innezuhalten und sich eine ziemlich spannende Frage zu stellen: Wann ist eigentlich „jetzt“?
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie flüchtig so ein Augenblick ist. Ich weiß nie wirklich, wohin der vergangene Moment verschwunden ist. Eben noch war ich im Supermarkt, jetzt stehe ich in der Küche. Wo ist dieser Moment hin? Er ist nur noch eine Erinnerung. Und was ist überhaupt eine Erinnerung? Wohin schaue ich, wenn ich „in die Erinnerung“ schaue?
Im Bewusstsein
Ins Bewusstsein, fällt mir ein. Ich schaue ins Bewusstsein. Aber wo das ist, weiß kein Mensch. (Nein, es ist nicht im Gehirn. Das Gehirn selbst wird ja vom Bewusstsein wahrgenommen. Es kann nicht außerhalb davon existieren.) Bewusstsein ist überall, weil alles in ihm erscheint. Wie ein weites, offenes Feld, das keine Substanz hat, jedenfalls nicht im materiellen Sinne.
Kann man Wissen messen, anfassen, betasten? Wohl kaum. Bewusstsein ist einfach das reine Wissen um etwas. Ich schaue also in das Wissen um den vergangenen Moment, als ich im Supermarkt war. Jetzt stehe ich in der Küche, und im nächsten Moment schon im Bad. Mein Aufenthalt in der Küche ist schon wieder Vergangenheit. Eine Spur im Wissen.
Es ist wirklich verrückt: Ich erlebe nur das, was jetzt passiert – in 4D und Farbe. Die Erinnerung ist wie ein Traum. Ich produziere ständig Erinnerungen, in jeder Sekunde.
Und wenn ich an morgen denke? Dann schaue ich in eine Vorstellung. Und eine Vorstellung ist letztlich auch nichts anderes als eine Erinnerung – nur, dass ich Bilder sehe, die noch nicht passiert sind. Sie finden am gleichen Ort statt: im Wissen um sie.
Was bleibt wirklich?
Ich kann also nur sagen: Ich weiß um das, was geschieht. Ich weiß um die Finger, die gerade über die Tastatur flitzen. Ich weiß um den Atem, den ich spüre, um die rote Bettwäsche, die ich mag, weil ich im Bett liege und schreibe. Ich weiß um den Hund, der am Fußende schnarcht. Ich weiß um alles. Ich habe nur dieses Wissen um die Dinge, die geschehen.
Aber meistens geschieht das: Wir verlieren uns in den Dingen, um die wir wissen. Und wenn wir uns in ihnen verlieren, vergessen wir, dass wir „nur“ um sie wissen. Dann fühlt sich alles so massiv und real an, so fest und unumstößlich, dass wir daran schier verzweifeln können.
Wir merken nicht, dass das Einzige, was existiert, ein Wissen um alles ist.
Die Unfassbarkeit des Jetzt
Und nun zur Frage: Wann ist eigentlich jetzt? Ich glaube, das lässt sich nicht wirklich fassen. „Jetzt“ ist kaum greifbar – es dauert weniger als eine Sekunde und länger als die Unendlichkeit. Ich kann „jetzt“ sagen, und schon ist der Moment vorbei. Wann hat er begonnen? Mit dem „j“ von „jetzt“? Wie lange dauert ein „j“? Unmöglich. „Jetzt“ kann man nicht messen.
Also wissen wir: Es gibt nur ein Wissen um das, was in einer Gegenwart passiert, die nicht in der Zeit existiert. Wissen ist nicht materiell, und Materie besteht nur aus dem Wissen um sie.
Ich bestehe auch nur aus dem Wissen um mich, das ich durchs Schmecken, Riechen, Berühren, Hören und Sehen erfahre. Und eigentlich weiß ich auch nur um das Sehen, das Schmecken, das Riechen und so weiter. Auch das Hören besteht letztlich nur aus Wissen.
Ein Wissen, das so aussieht wie ich, wie Du, wie der Hund, die Wolken …
Ein Wissen, das um den Ärger weiß, um die Traurigkeit, das Unverständnis, die Verwirrung, die Freude, das Lachen – um alles.
Und wer weiß das alles? Das kann ja nur das Wissen selbst sein, das um sich weiß. Und zwar durch mich, durch Dich, durch alle.
Wir alle geschehen in diesem Wissen und sind darin auf ewig vereint. In der Ewigkeit geschieht die Zeit, von der wir wissen.
Die Leichtigkeit der Perspektive
Wenn ich mir das alles vor Augen führe, dann macht mir Staubsaugen plötzlich nichts mehr aus. Oder die Wäsche aufzuhängen, einkaufen zu gehen und so weiter.
Denn ich schaue direkt aus diesem Wissen auf das Wissen um alles. Und das ist eine Perspektive, die wirklich leicht ist.
Oder glaubst Du, dass Wissen etwas wiegt? Sag mir, wie viel!
In einer Welt, in der das Offensichtliche selten hinterfragt wird, lädt „Ein Riss in der Realität“ dazu ein, tiefer zu blicken und die unsichtbaren Fäden zu entdecken, die unser Sein durchdringen. Dieses Buch versammelt 24 inspirierende Essays, die ursprünglich als Adventskalender auf Nicole Paskows Blog entstanden sind.
Jeder Text öffnet ein neues Fenster in die Weiten unseres Bewusstseins und ermutigt den Leser, die wahre Natur des Menschseins zu erkunden. Es ist eine Einladung, mit den inneren Augen zu sehen und die Klarheit zu finden, die in der Essenz unserer Existenz verborgen liegt.
Nicole! Danke für diesen herrlichen Text! Endlich mal kein „Spiri-Sprech“, den ich überall sonst höre! Du bist ein Mensch der selbst sieht, denkt und schlussfolgert und das auch noch so klar und unbestechlich! Ein Traum! Ich bin begeistert und ja , ich kann alles nachvollziehen, was Du sagst. Es gibt nur dieses Wissen um alles und das ist gelinde gesagt mindblowing! wenn man sich wirklich darauf einlässt, kann das alles verändern. Danke! Und bitte mehr von diesen Texten! Chris
Danke, Chris! 🙂 Freu mich über die Resonanz.
Liebe Nicole, herzlichen Dank für diesen schönen Text. Ich kann mich dem Christoph nur anschließen, es ist einzigartig, wie du aus deiner Sicht die Dinge beschreibst, und dass ist so schön 🥲. Man merkt richtig, dass es aus deinem Inneren kommt. Auch wenn es für mich so plausibel ist, spüre ist es nicht aus mir heraus. Es regt auf jeden Fall zu nachdenken an und zu hinterfragen, Antworten sollte man wohl besser nicht erwarten. Mehr solcher Texte, dem kann ich mich nur anschließen 🙏🏼. Herzlichst Ines
Liebe Ines,
ganz herzlichen Dank für Deine Rückmeldung. Es freut mich wirklich sehr, dass Dich meine Texte berühren und zum Nachdenken anregen – auch (oder gerade) wenn sie keine direkten Antworten liefern.
Ich glaube tatsächlich, dass jeder Mensch einen eigenen Zugang zu diesen inneren Räumen hat – und dass es manchmal reicht, einfach nur in Resonanz zu gehen, ohne dass man gleich alles selbst spüren oder durchdringen muss. Manchmal bleibt es einfach beim Nachdenken, manchmal löst es später etwas aus, manchmal bleibt es auch still.
Mir ist es wichtig, nicht mit Antworten zu kommen, sondern zu teilen, wie es gerade in mir aussieht, so nackt und wahr und „nicht dargestellt“ wie möglich. Nur damit diene
ich der Wahrheit an sich, feiere sie und erwecke sie zum Leben, das ich bin. Das Du bist…
Danke Dir für Deine Offenheit und die Ermutigung, weiterzuschreiben.
Herzlich,
Nicole
Bitte unbedingt weiter schreiben. Ich habe schon viel gelesen, tu dies, mach das dann…. Und was hat es gebracht, nichts nur Kraft und Enttäuschung. Deshalb bin ich dir so unendlich dankbar dafür, dass du eigentlich nichts anbietest als deine eigene Erfahrung, keine versprechen etc und das tut so gut, es nimmt ungemein den Druck und die Erwartungen bzw die Illusion, daß man am auch nur irgendwas tun könnte um zu…. und das ist eine solche Erleichterung, die in Worte nicht zu beschreiben sind 💗. Danke an Sabine 😀, ohne die hätte ich wahrscheinlich nie zu dir gefunden 😊.
LG Ines
Sehr schön ausgedrückt und somit gut nachvollziehbar. Wenn das Wissen dann noch als Konditionierung erkannt wird , bleibt nur noch das unaussprechliche Wunder des Seins übrig.Wenn alle Begrifflichkeiten fallen offenbart ES sich “ einfach nur sein “ , nichts wissend , nichts ahnend und doch herrscht Klarheit. Paradox oder? Aber was sagte Einstein „damals“ Gott macht keine Fehler. Danke Nicole , ich lausche dir so gern und freue mich immer deine Stimme zu hören , es bringt in „mir“ ein Gefühl der Verbundenheit hervor……………….
Danke, Micha für Deinen freundlichen Kommentar :-). Ich meine Wissen hier nicht inhaltlich, sondern als Bezeichnung für Gewahrsein.
Für das, was um alles „weiß“. Das ist keine Konditionierung, sondern die Grundlage jeder Erfahrung.
Auch, das „einfach nur Sein“ ist von diesem Wissen gewusst und hat weder ein Gewicht, noch eine Dimension. Faszinierend, nicht? 🙂
so eine entzückende Pointe am Ende … :o)