Vom Wissen um das Nichtwissen anhören

von Nicole Paskow

Wie kann man wirklich wissen, dass man nicht weiß? Für viele Menschen stellt es einen langen Weg „zurück“ dar, von allem abzusehen, was sie glauben zu wissen, um in der absoluten Inhaltsleere zu verweilen. Unsere Sprache ist leider nicht in der Lage nicht prozesshafte Dinge darzustellen, denn sie findet, so wie alles andere, in Prozessen und damit in der Zeit statt.

Wir brauchen Zeit, um zu sprechen, zu denken, zu handeln etc. Doch geistige Inhaltsleere, der Ort des bewussten Nichtwissens, ist zugleich der Ort des Seins und dieser Ort kennt keine Zeit, obwohl er in der Zeit stattfindet. Ein Paradoxon, dem man nur durch Erfahrung näherkommen kann und so gut wie gar nicht durch Denken.

Sich auf das eigene Dasein einzulassen bedeutet, innerlich und äußerlich so still zu werden, bis man sich dessen gewahr geworden ist, dass das Wissen um die eigene Anwesenheit, das einzige verifizierbare Wissen ist, dessen man sich überhaupt gewahr werden kann. Und selbst diese erfahrene Existenz ist nicht zu 100% sicher, da wir nicht sagen können, wer genau diese Erfahrung macht.

Wer macht die Erfahrung von Dasein?

Ich könnte sagen, „ich“ mache diese Erfahrung, doch was genau meine ich damit? Je tiefer ich dieses „Ich“ hinterfrage, um so deutlicher wird, dass es sich nicht um eine feste, unveränderliche Größe handelt, die es verdienen würde als gesicherte Identität zu gelten.

Das Ichgefühl ändert sich ständig zwischen der Kindheit und dem Alter. Als Kind denkt und fühlt man anders. Als Erwachsener auch und als älterer Mensch ebenso. Nichts an der Persönlichkeit, die wir unter dem Begriff „Ich“ zusammenfassen steht fest. Zu wem sagen wir dann „Ich“?

Jeder, der diesen Weg so weit verfolgt, bis es nicht mehr weiter geht, landet in einem offenen Erfahrungsfeld, in einem Wahrnehmungsfeld, das einfach nur um sich selbst weiß. Das Einzige, was es sagen könnte, wäre „Ich bin“, oder „Ich bin da“ und gleichzeitig hätte dieses „Ich bin“ keine definierten Grenzen. Es ist nicht auf den Körper beschränkt, vielmehr erscheint der Körper in ihm, obwohl es sich durch ihn erfährt. Das wird IN der Erfahrung selbst deutlich. Eine Erfahrung die sich keinesfalls denken oder vorstellen lässt. Und hier wird das Wunder offenbar, dessen sich die meisten Menschen überhaupt nicht bewusst sind.

Das Wunder des Daseins, das unerklärlich für den menschlichen Verstand bleibt, der alles mit seinen begrenzten Mitteln zu erfassen versucht. Wir sind da. Mehr wissen wir nicht. Wir können dieses Dasein beschreiben, wir können es erforschen, mit wissenschaftlichem Gerät untersuchen, es benutzen, es weiterentwickeln, doch wir können niemals sagen, was es ist und warum es da ist. Wie die ersten Menschen richten wir den Blick in den Himmel und können nur ganz offen staunen und empfangen, was wir als Information aufzunehmen in der Lage sind.

Ich ist ein Gedanke, der geglaubt wird

Oder wir können direkt daran vorbei gehen und unsere Aufmerksamkeit auf das richten, worauf sie scheinbar automatisch fällt: Auf Gedanken, Gefühle, Meinungen, Ideen, Selbstbilder, Weltbilder, Weltmodelle, Glaubenssysteme und den hartnäckigsten Glauben überhaupt: Die Ich-Identität.

Kaum ein Mensch hinterfragt sie, indem er einfach nur der Frage nachgeht: „Wer bin ich?“ Oder genauer: „Wer ist ich?“ und „Was kann ich wirklich über mich wissen? Und was davon glaube ich nur zu wissen?“

Jeder Mensch ist prinzipiell dazu in der Lage sich selbst auf den Grund zu gehen, sich selbst bis zu seinem Ursprung zu folgen und zu entdecken, wer er ist, auch wenn er nie wissen kann, warum er ist.
Alles über dieses Wissen um unsere Anwesenheit hinaus unterliegt einem Glauben, der von anderen Menschen stammt, die an die unverrückbare Existenz ihrer Ich-Identität glaubten und nicht auf den Grund des Nichtwissens gefallen sind.

Dort existiert nur etwas Unbeschreibbares, dem wir den Namen Präsenz geben und das als unsere wirkliche Natur gelten kann. Denn tiefer hinein in den Ursprung und das Sein der grundlegenden Existenz können wir nicht sinken. Alles darüber hinaus führt in die Sprachlosigkeit und damit gleichsam in die Welt- und Erfahrungslosigkeit. „Ich bin“ ist die Grenze, über die hinaus noch nie jemand gegangen ist und niemals jemand gehen wird. Jenseits von „Ich bin“ liegt allein die endlose Welt der Potenzialität, über die sich rein gar nichts sagen lässt.

Ausgerichtet auf sich selbst

Doch wir können schweigen. Geistig vollkommen zur Ruhe kommen und einfach nur da sein. Die natürliche Intelligenz, als die Schöpferkraft schlechthin, tritt in diesem Zustand ins menschliche Bewusstsein. Sie allein weiß um ihre eigene Anwesenheit und sie allein ist es schon immer, die unsere Geschicke lenkt, ob wir uns dessen bewusst sind, oder nicht.

Werden wir uns ihrer allerdings bewusst, tritt etwas ein, das man als „Ausgerichtetsein“ bezeichnen kann. Es findet eine Deckungsgleichheit statt, in die alles zurückfällt, was sich vordem unbewusst als Erhebung in die Wahrnehmung gedrängt hat: der menschliche Verstand in Verbindung mit dem Glaubenssystem der Ich – Persönlichkeit. Ich bin einfach nur hier und fließe in diesen Augenblick des Gewahrseins ein.

In der bewussten Erfahrung von Präsenz, zerfällt die Ichpersönlichkeit wie ein nächtlicher Traum, wenn man morgens erwacht. Es wird deutlich, dass sie überhaupt nicht existiert. Und es ist nicht schwer sich dessen gewahr zu werden. Wir brauchen uns lediglich auf diesen Augenblick zu besinnen. Mit allen Sinnen und aller Aufmerksamkeit, die uns zur Verfügung steht. Kommen wir hierher, in diesen Moment, schweigen wir geistig vollkommen, zeigt sich, was wir sind: Dasein ohne Ich, das sich dennoch seiner selbst bewusst ist.

Natürliche Stimmigkeit

Und wieder: Was für ein Wunder! Niemand kann es verstehen, weil es sich selbst verstehend ist, in dem Augenblick, in dem es sich erfährt. Dann ist es ergriffen von Dasein. Ich bin eins mit mir ohne Trennung… Nähe. Freude. Natürliche Schönheit. Entspanntheit.

Der Ort der reinen Präsenz ist der Ort, von dem alles ausgeht, was wir erfahren. Im Bewusstsein dessen, erfahren wir unsere menschliche Natur. Überlassen wir uns vollkommen unserem nicht wissenden Dasein, (reiner Offenheit) erleben wir, wie alles Werden von hier aus in vollkommen natürlicher Stimmigkeit erfolgt. Alles, was ich aus der Unwissenheit über mich selbst erfahre, zeigt sich als „aus mir selbst heraus“ und ist, was ich bin. Nichtwissen ist ein Segen!

Im Unbewusstsein dessen, erfahren wir uns als Überlagerung dieser Natur, dann wissen wir, dass wir „wir“ sind, mit allen positiven Eigenschaften, die wir uns zuschreiben und mit allen negativen Eigenschaften, an die wir glauben, weil wir sie durch das Urteil anderer Menschen erfahren haben.

Wir streben nach dem Guten und vermeiden das Schlechte, wir sind beständig bestrebt unser Erleben zu verbessern, was Angst erzeugend ist. Wir leben in einem künstlichen Spannungsfeld, das sich auf alles auswirkt, was wir als „unser Leben“ erfahren.

Ein Paradigmenwechsel

Der Paradigmenwechsel, der im menschlichen Bewusstsein stattfindet, ist, dass wir anfangen weiterzugehen und zu hinterfragen und zu erforschen, wer wir im ursprünglichen Sinne sind. Dazu blicken wir nicht mehr in die Welt, sondern immer tiefer in uns selbst. Weil wir eine flüsternde Ahnung davon erhaschen, dass das Glück, nachdem wir uns so innig sehnen, direkt am Ursprung unseres Daseins existiert, am einzigen Ort, wo wahres Wissen stattfindet, wo nichts geglaubt werden muss.

Die Erfahrung, die jeder einzelne Mensch für sich selbst macht, mündet in ein universelles Erleben, das aus reiner Selbsterkenntnis besteht. Und das ist fühlbar, ganz nah, ganz direkt, als Du selbst, so vertraut, dass kein Wort mehr über Deine Lippen kommt. Und Du weißt, ganz deutlich um Dich selbst, so wie Du es immer schon gewusst hast. Dieses Wissen reicht vollkommen aus.

 

 

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