Die Persönlichkeit - das falsche Zentrum - anhören
Es fällt leichter zu unterscheiden, welche Impulse, Gedanken, Gefühle, Handlungen usw. aus dem einfachen Dasein stammen und welche aus der Persönlichkeit – wenn wir uns ein wenig mit der Persönlichkeit beschäftigen.
Ich sage oft, dass die Persönlichkeit wie eine Brille ist, die wir aufgesetzt haben und nicht so ohne weiteres absetzen können. Um sie absetzen zu können, müssen wir sie sehen. Solange wir sie nicht wirklich sehen, fällt auch nichts ab.
Dann bleiben wir damit verstrickt, ohne es zu wissen und halten unsere Gedanken und Emotionen für die Wirklichkeit. Wir sehen vielleicht was vorgeht – dass wir gerade etwas glauben, was nicht wahr ist, und etwas fühlen, was durch diesen Glauben hervorgerufen wird – aber es hilft nichts, wir kommen da nicht raus.
Wenn wir stabil in der Präsenz unseres Daseins verankert sind, wird sofort gesehen, wenn Gedanken auftauchen, die uns wieder etwas weis machen wollen, was nicht stimmt. Sie werden wahrgenommen aber niemand folgt ihnen in ihre dunklen Gefilde. Sie sind schlicht uninteressant, weil sich die Entspanntheit des Seins durchgesetzt hat und im Vordergrund unserer Wahrnehmung verbleibt.
Wo ist das „Ich“, wenn Du einfach bist?
Damit wir uns darin stabilisieren können müssen wir uns in erster Linie damit beschäftigen, was unsere Präsenz ausmacht. Wir brauchen eine Referenzerfahrung, die wiederholbar ist. Zurücklehnen, still werden, da sein und bewusst mitbekommen, wie sich das anfühlt und wo die Persönlichkeit denn ist, wenn wir einfach nur hier sind. Sie ist dann nämlich nicht auffindbar. Wo ist das „Ich“, wenn Du einfach nur hier bist, atmest, spürst, anwesend bist, wo Du gerade bist?
Schau nach …
Doch manchmal ist das nicht möglich, weil die Gedanken so laut sind, dass sie an der Aufmerksamkeit zerren und uns einfach hinabziehen in ihren Stress, in die Angst, in das Missbehagen und sämtliche Emotionen und körperlichen Empfindungen, die sich daraus ergeben.
Wenn die Gedanken zu laut sind, dann kannst Du sicher sein, dass hier ein sehr tiefer Punkt der Identifikation (des Glaubens an …) vorliegt.
Was macht die Persönlichkeit aus?
Und hier ist es gut sich vor Augen zu führen, was die Persönlichkeit im Grunde ausmacht: Sie bewertet jede Situation in gut und schlecht, sie vergleicht ständig, trachtet nach der Verbesserung ihrer Situation, hat dadurch Angst vor der Verschlechterung ihrer Situation und sie bewegt sich stets zwischen Vergangenheit und Zukunft hin und her. Und das erschafft das gesamte Leiden eines Menschen.
All das sind Aktivitäten des Geistes. Es ist ein Tun. Wenn Deine Gedanken darum kreisen was Du gerade gut oder schlecht findest, wer Schuld hat an Situationen, was passieren müsste, damit Du Dich besser fühlst, was es ist, das alles schlechter macht, dann hast Du es mit Deinem Muster, Deiner Programmierung, Deiner Persönlichkeit, Deinem Ego, der Person … und welche Bezeichnungen es noch für diese Ansammlung an Gedanken gibt, die Dich scheinbar ausmachen, zu tun.
Wenn Du in inneren Monologen feststeckst, oder in inneren Dialogen mit anderen, wenn Du jemanden von Deiner Ansicht überzeugen willst, wenn Du belehren willst, wenn Du Dich runtermachst oder vor Angst zitterst, dass bald etwas Schlimmes geschehen könnte usw., hast du es mit Deinem Ich zu tun. Und nicht mit Deiner Präsenz.
Präsenz steigt nicht darauf ein …
Deine Präsenz hat nichts mit Deiner Persönlichkeit zu tun. Sie steigt nicht darauf ein, weil sie in sich ruht und für nichts aus dieser Ruhe kommt. Wozu auch? Sie ist das Auge des Sturms. Doch wenn Du Dich als stilles Auge in diesem Sturm verlierst, erfährst Du nur die Konsequenz dieses Verlustes Deiner bewussten Anwesenheit.
Nochmal: Der Präsenz selbst ist es egal, was sie erfährt, sie erfährt sich in jedem Zustand, der sich einstellt, wohin die Aufmerksamkeit sich bewegt. Bewegt sie sich nicht von sich selbst weg, erfährt sich Präsenz als sie selbst. Ansonsten erfährt sie sich als das, worin sich die Aufmerksamkeit einnistet.
Und das sind oft Gedanken, die Stress erzeugen, die Bestätigung von anderen Menschen wollen und Strategien entwerfen, wie das gelingen kann, die glauben sich schützen zu müssen vor dem negativen Urteil anderer, vor der eigenen Selbstkritik, vor den eigenen Annahmen, wie etwas war, etwas sein soll und wie es wird.
„So ist es doch!“
Schau selbst, welche Gedanken Dich am meisten beunruhigen, dann kennst Du den tiefsten Glauben, der Dich immer wieder in gute und/oder schlechte Emotionen zwingt. Und dieser Glaube hat in der Tiefe die Überzeugung zu wissen, wie es ist. Dieser Glaube es zu wissen schafft die Realität, die Du dann für wirklich hältst und für „so ist es doch!“
Du kannst alles denken, fühlen, empfinden, doch sobald eine emotionale Ladung dahinter ist, so subtil sie auch daherkommen mag, kannst Du sicher sein, dass Du Dich in Deinem Glaubenssystem befindest.
Die Persönlichkeit spielt sich als Zentrum der Wahrnehmung auf, das sie einfach nicht ist. Was Du nachvollziehen kannst, wenn Du geistig zur Ruhe kommst und bewusst entdeckst, wie weit und still Dein Dasein ist. Wie weit und still Du bist, wenn Du einfach nur bist. Wie herrlich entspannt und angenehm das ist.
Wir erfahren immer, was wir glauben
Darin gibt es keine Persönlichkeit, denn die muss sich immer wieder neu konstruieren – was sie sofort tut, wenn Deine Aufmerksamkeit aus sich selbst herausschnellt und in den Gedanken verschwindet, die aus Gewohnheit auftauchen und sich als glaubwürdig aufspielen.
Und das ist eben nicht zu unterschätzen. Die meisten von uns werden schon länger mit ihrem Glaubenssystem zu tun haben. Und das, was wir gewohnt sind, hört nicht einfach so auf, wenn wir beschließen es zu lassen.
Es hört erst dann auf, wenn wirklich klar geworden ist, was für eine Absurdität sich da abspult … Und das wird dann klar, wenn wir das Wesen der Persönlichkeit genau identifizieren können und die Alternative erfahren. Erst ahnend, dann verstehend, dann fühlend, dann auf allen Ebenen nachvollziehend und dann seiend.
Gelassenheit, Dasein, Liebe, Entspanntheit, Intelligenz, Klarheit, Schönheit, Freude … ist alles schon. Wir lassen uns nur immer wieder herauskatapultieren, weil wir zutiefst glauben, dass es anders ist. Und wir erfahren immer (!) was wir glauben. Es lohnt sich, das „am eigenen Leib“ zu erforschen.
Ja, ich kenne es, dass die Gedanken zu laut sind. Und mein Weg war es immer Techniken anzuwenden, um sie los zu werden. Aber wie mache ich es, dass sie nicht wieder kommen? Ich verstehe durch Deinen Text, dass es da nichts zu machen gibt. Sondern dass es ein Verstehen ist, ein Aushebeln der ganzen Idee von „mir“. Ich komme in der Persönlichkeit selber auf keinen grünen Zweig. Das kommt so laangsam an. Glaube ich ;-). Danke wieder für diesen aufschlussreichen Text! Chris
Sie kommen dann nicht wieder, Chris, wenn sie keinen Grund und Boden mehr dafür haben. Und das ist dann der Fall, wenn das Einsehen groß genug ist. Der Wege zur Einsicht gibt es viele, aber sie geschieht immer dann, wenn Denken und Fühlen zusammenfallen und dadurch EINE Erfahrung gemacht wird. Wenn beides zusammenfällt, geschieht direktes Sehen. Wenn Du zu viel denkst, musst Du zulassen trotz Denken zu fühlen, wenn Du zu viel fühlst, musst Du zulassen im Fühlen zu Sehen. Wenn alles nicht funktioniert, läuft es einfach ab, wie es abläuft und hört auch wieder auf. Manchmal machen es allein die unzähligen Wiederholungen des immer gleichen Problems, dass wir anfangen zu sehen, was das Problem ist.
ich kenne das, was Christoph T sagt auch. Ich sehe zwar, dass ich gerade in der Persönlichkeit unterwegs bin und reagiere, aber ich kann es nicht stoppen. Mir fehlt es da an beidem -an der Referenzerfahrung, wie Du sagst, Nicole und an dem Einsehen, wie absurd die Reaktionen sind. Es geht einfach sooooo schnell! Und ich bin ein einer Emotion, die mir nur Leid verursacht. Ich hab aber auch keine Lust mehr auf Leiden. Ich bin auch sicher, dass wir nicht hier sind, um nur immer wieder zu leiden und uns für beschränkt zu halten. Danke auch von mir für Deine Unermüdlichkeit. Ich höre Dir gern zu. Du machst es fühlbar.
Ja, Katja, wir sind definitiv nicht zum Leiden auf dieser Welt. Leiden dient nur dazu, zu erkennen, dass wir es nicht müssen. Und das Erkennen lässt manchmal sehr lange auf sich warten. Schau mal meinen Kommentar zu Christoph T … Irgendwann wächst auch das Interesse an der Leidfreiheit an und wenn das größer ist als der Sog in die Destruktivität der Gedanken dann geschieht Öffnung und Sehen. Das Leid müssen wir zuerst sehr direkt spüren, (Ohne Widerstand) bevor wir davon ablassen können. Bzw. bevor durch die Erfahrung davon abgelassen wird.
Danke Nicole! Sehr interessant!
Der Text kommt gerade in dem Moment, wo genau dieses Thema sich bei mir ganz laut meldet – danke Nicole!
Aber so sehr mir das alles auch bewusst ist – wie meine VorrednerInnen schon sagten, „die Idee von *mir* oder die „Absurdität meiner Gedanken und Reaktionen“ – es hilft nichts.
Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, je mehr ich mich mit der ganzen Thematik befasse und je mehr mir alles bewusst wird, desto lauter und heftiger stürmen gerade diese destruktiven Gedanken auf mich ein.
Liebe Katrin, das kann ich sehr gut nachvollziehen. Wenn es durch das „Sehen“ und still werden nicht raus aus den Gedanken geht, dann
geht es durch das „Hineingehen“. Die Aufmerksamkeit selbst ist flexibel, sie kann den Fokus öffnen und ihn verengen. Je nachdem, wovon sie
gerade bestimmt wird. Wenn sie von der Persönlichkeit bestimmt wird, dann geht es manchmal nur hinein in den Strudel, in dem man vollständig
mit ihm verschmilzt. Dann lass alles ganz nah an Dich heran und widerstehe den Gedanken und Gefühlen nicht. Dann geh ganz auf in dem Gefühl, das hat
das Gleiche Ergebnis, wie Hinauszugehen. Wir können ja genau darüber miteinander sprechen bei unserem Termin, wenn Du magst.
Ich bin mir sicher, dass ein jeder schon einen Hauch dieser Referenzerfahrung gemacht hat, nur in dem Moment wurde das nicht erkannt. Der Glaube an eine sinnvolle Beurteilung dieses Umstandes der gerade geschieht, lässt die Waagschale mit dem Recht auf Beurteilung sofort nach oben schnellen. Die Persönlichkeit ist gefestigt und das Recht dazu auch. Die Balance da mittendrin zu halten, eröffnet alle Blickwinkel wie man darauf schauen kann, dadurch werden sie ins Sein gehoben und verlieren ihre Gewichtigkeit. So habe ich es erlebt. Jetzt Versuche ICH es zu wiederholen
und stelle fest, zu glauben, dass es nicht wiederholbar ist. Der Denker und der Glauber, beide führen wieder weg.
Absolut, liebe Christine, jeder hat diese Erfahrung schon gemacht, denn die Präsenz ist IMMER da und findet auch ihre Schlupflöcher durch das dichte Gewebe der Persönlichkeit. Die Frage ist einfach, wurde die Erfahrung bewusst? Und wenn ja, wie tief? Tief genug erfahren, ist sie eine echte Referenz, dann weiß man, wie es sich anfühlt und worauf man sich beziehen kann in der inneren Ausrichtung. Dir bewusst sein, dass Du bewusst (anwesend) bist. Das ist eine einfache, klare, deutliche, aber eine anfangs auch sehr subtile Erfahrung. Flüchtig, wenn man darin nicht gefestigt ist. Aber einmal wirklich erfahren, kommt sie von selbst wieder zu sich. Bis Du so aufmerksam auf sie geworden bist, dass sie sich förmlich in Deine Aufmerksamkeit einnistet. So kann ich es aus meiner Erfahrung beschreiben.
Interessant ist der Aspekt des Rechtes auf Beurteilung, den Du mit einbringst. Denn ja! Das Urteil WILL sich. Das Gefühl recht zu haben ist intensiv und bestätigt die Persönlichkeit in ihrer Richtigkeit. Sie pendelt ja zwischen Richtigkeit und Falschheit hin und her. Sobald sie sich unbewusst im Unrecht und damit unbestätigt fühlt, stellt sie sich lauthals ins Recht, um ihrer Existenz wieder gewahr zu werden und sich darin gefestigt zu erleben. Die Balance mittendrin zu halten, wie du sagst, zeigt Dir die Relativität Deiner Meinungen und sie verlieren ihr Gewicht. Dadurch kann sich etwas entspannen.
Du kannst es nicht willentlich wiederholen. Du kannst nur sehen, wie stark das Persönliche aus Gewohnheit um sich kämpft. Und Du kannst fühlen, wie anstrengend und frustrierend es sich anfühlt Recht behalten zu müssen und das Recht wieder zu verlieren, wenn man sich in Meinungskriege begibt, wo man mal gewinnt und auch wieder verliert. Fühlen und Sehen führen dazu wieder „da“ zu sein und zu erkennen, dass alles schon gut ist und Du mit allem fließen kannst. Du brauchst Dich nicht aus Dir herausbewegen, um Dich gut zu fühlen, wenn Du Dir Deiner Anwesenheit bewusst bist, weil Du Dich dann bereits gut (im Sinne von entspannt, angenehm, unaufgeregt, klar) fühlst. Sich besser fühlen zu wollen, will nur etwas, das das grundlegende Dasein nicht mitbekommt und daher immer in einem Mangel lebt. Aus diesem Mangel werden Gedanken und Gefühle generiert, die entweder gut oder schlecht sind. Oder auch diffus. Aber nie klar.
Ich danke dir, Nicole, für diese klärende Darstellung, der um sich kämpfenden Persönlichkeit. Die Widersprüche die dabei auftauchen, weisen schon darauf hin, dass hier Zwei-Fälle platz genommen haben.
Liebe Nicole, könnte man auch sagen, wenn die Leichtigkeit des Seins verschwindet, und es plötzlich schwer wird, hat die Persönlichkeit ihren Auftritt? Ich sage mir dann immer wenn ich diesen Wechsel bemerke: Was brauche ich von dieser Wut (oder ähnliches) um jetzt einfach HIER zu Sein als das Wunder was ich bin…
Oder alternativ, je nachdem wie es in die Situation passt: Es reicht dass es mich gibt. Im Grunde muss ich immer aktiv etwas tun=glauben etwas anderes zu sein als dieses Wunder, um mich mies zu fühlen…Einfach Hier sein, erfordert keinerlei Anstrengung. Insofern ist meine Erkenntniss, miese Gefühle eine Person zu sein fallen nicht von der Zimmerdecke, die Glauberei ist ein aktiver Prozess. Danke für Deine wundervolle Arbeit, Du Wunder
Danke, liebe Nina! Und ja! Könnte man so sagen … 🙂 LG Nicole