Jiddu Krishnamurti-Die radikale Freiheit des Geistes-anhören

von Nicole Paskow

Jiddu Krishnamurti war für mich immer eine außergewöhnliche Figur in der spirituellen Welt. Nicht, weil er mit komplexen Techniken oder Methoden arbeitete, sondern gerade, weil er sich konsequent von allen Konzepten und Ideologien fernhielt. Er hat sich selbst nie als Lehrer gesehen – im Gegenteil, er betonte immer wieder, dass er nichts vermitteln wolle, was von außen käme. Seine einzige Einladung war die, vollkommen zu sehen, was ist, ohne die Filter von Konditionierungen, Glaubenssätzen oder sozialen Strukturen. Diese radikale Freiheit ist das Herzstück seines Ansatzes.

Ein Leben ohne Bindung an Systeme

Krishnamurti wurde 1895 in Indien geboren und schon früh von der Theosophischen Gesellschaft als „Weltlehrer“ auserkoren. Doch anstatt diese Rolle anzunehmen, löste er sich 1929 öffentlich von dieser Verehrung und betonte: „Die Wahrheit ist ein pfadloses Land.“ Dieser berühmte Satz beschreibt die Essenz seiner Philosophie. Es gibt keinen festgelegten Weg zur Erkenntnis, keine Methode, die wiederholt werden könnte, kein Dogma, an das man sich halten sollte.

Was mich an Krishnamurti so fasziniert, ist die radikale Konsequenz, mit der er sich von jeder Form der spirituellen Institutionalisierung lossagte. Er gründete keine Bewegung, keine Gemeinschaft, keine festgelegte Praxis. Seine Gespräche und Schriften kreisen immer wieder um die direkte Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks, frei von allen Interpretationen.

Die Freiheit von der Konditionierung

Krishnamurti stellte immer wieder die Frage: Können wir vollständig frei von unserer Konditionierung sein? Diese Frage ist keine rein intellektuelle Herausforderung, sondern ein Aufruf zur Selbsterforschung. Er betrachtete die Konditionierung nicht nur als kulturelle oder soziale Prägung, sondern als die tiefsten Schichten des Geistes, die durch Gedanken, Erinnerungen und Ängste gebildet werden.

Ein Erlebnis mit Krishnamurti hat mich besonders geprägt. Ich sah mir ein Gespräch zwischen ihm, Rupert Sheldrake und David Bohm an. In diesem Gespräch stellte Krishnamurti eine ebenso einfache wie radikale Frage: „Halten Sie es für möglich, jemals vollkommen frei von Konditionierungen zu sein?“

Die beiden Gesprächspartner schwiegen verdutzt. Krishnamurti fragte noch einmal: „Halten Sie es für möglich?“ Und dann sagte er etwas, das mich tief bewegte: „Wenn Sie es nicht für möglich halten, ist das Gespräch hier zu Ende. Denn wenn wir diesen Konsens nicht teilen, gibt es nichts weiter zu besprechen.“

Das war für mich wie ein Erleuchtungsmoment. Ich erkannte allein durch diese Aussage, was ein Gedanke wirklich ist – und welche Macht er hat, aber auch welche Ohnmacht. Denn das, was ich für möglich halte, wird möglich. Und das, was ich für unmöglich halte, ist unmöglich. Es ist so einfach und direkt, dass es mich umgehauen hat. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich frei bin zu glauben, was ich will. Wenn ich glauben will, dass es möglich ist ohne geistige Begrenzungen zu existieren, dann ist es möglich. Diese Idee raubte mir geradezu den Atem und wies mir meinen weiteren Weg. Krishnamurti zeigte mir, dass ich offen bin für direkte Einsichten, ohne Umwege.

Beobachtung ohne den Beobachter

Krishnamurti sprach oft davon, wie wir in der Lage sein sollten, unsere Gedanken und Gefühle zu beobachten – jedoch ohne die ständige Einmischung eines Beobachters. Für ihn war der Beobachter nicht getrennt von dem, was er beobachtet. Der Gedanke, der sich selbst beobachtet, schafft nur weitere Ebenen der Fragmentierung.

Hier finde ich eine Schnittstelle zu meinem eigenen Ansatz, Deep Access. Auch ich betone die Bedeutung der unmittelbaren Erfahrung, ohne die ständige Bewertung durch den Verstand. Während Krishnamurti jedoch vollkommen auf jegliche Struktur verzichtete, bietet Deep Access eine Einladung, die Muster der Wahrnehmung zu erkennen und zu durchschauen – nicht, um sie zu verändern, sondern um sie in ihrer Natürlichkeit zu sehen.

Die Illusion des Selbst

Krishnamurti lehrte, dass das Selbst – das, was wir als „Ich“ empfinden – ein Konstrukt aus Erinnerungen, Erfahrungen und Gedanken ist. Solange wir an diesem Selbstbild festhalten, bleiben wir in einem Kreislauf aus Angst, Hoffnung und Leid gefangen. Freiheit bedeutet für ihn, diesen Kreislauf zu durchschauen und die permanente Bewegung des Denkens zu erkennen.

In meinem Ansatz sehe ich das ähnlich, jedoch mit einem anderen Fokus. Ich betrachte das Ego nicht als Feind, sondern als Teil der menschlichen Erfahrung. Es muss nicht zerstört, sondern verstanden werden. Der Unterschied liegt in der Herangehensweise: Während Krishnamurti die sofortige Einsicht in die Struktur des Denkens anstrebt, lädt Deep Access dazu ein, durch bewusste Präsenz die Blockaden zu sehen, die uns von diesem direkten Erleben abhalten.

Freiheit liegt jenseits der Methode

Was mich an Krishnamurti immer wieder fasziniert, ist seine radikale Ablehnung jeder Form von Methode oder System. Für ihn ist die Wahrheit kein Ziel, das durch Anstrengung erreicht werden kann, sondern das, was sich im Moment der totalen Wahrnehmung offenbart. Es ist eine Befreiung von der Idee, dass wir etwas werden müssen.

In einem seiner berühmtesten Bücher, „Die Erste und Letzte Freiheit“, schreibt er:

„Die Fähigkeit zu beobachten, ohne zu bewerten, ist die höchste Form von Intelligenz.“

Dieser Satz trifft genau den Kern dessen, worum es auch in Deep Access geht – die Offenheit gegenüber allem, was sich zeigt, ohne es sofort zu bewerten oder zu verändern.

Die Stille der Einsicht

Jiddu Krishnamurti bleibt für mich eine Quelle der Inspiration, weil er die Essenz von Freiheit auf eine Weise vermittelt, die jenseits von Konzepten liegt. Seine Radikalität, seine Klarheit und seine unnachgiebige Weigerung, in vorgefertigte Muster zu verfallen, machen ihn zu einer einzigartigen Stimme in der spirituellen Welt.

Sein Ansatz ist nicht bequem, er fordert heraus, rüttelt auf und konfrontiert uns mit der Frage: „Bist du bereit, alles loszulassen, was Du über Dich und die Welt zu wissen glaubst?“

In meiner eigenen Arbeit mit Deep Access fließt dieser Geist der radikalen Offenheit ein. Es geht nicht darum, etwas zu erreichen, sondern zu erkennen, was immer schon da war. Krishnamurti erinnert uns daran, dass die tiefste Einsicht in der Stille liegt – in dem Moment, in dem der Geist keine Fragen mehr stellt und einfach ist.

 

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