Jiddu Krishnamurti-Die radikale Freiheit des Geistes-anhören
Jiddu Krishnamurti war für mich immer eine außergewöhnliche Figur in der spirituellen Welt. Nicht, weil er mit komplexen Techniken oder Methoden arbeitete, sondern gerade, weil er sich konsequent von allen Konzepten und Ideologien fernhielt. Er hat sich selbst nie als Lehrer gesehen – im Gegenteil, er betonte immer wieder, dass er nichts vermitteln wolle, was von außen käme. Seine einzige Einladung war die, vollkommen zu sehen, was ist, ohne die Filter von Konditionierungen, Glaubenssätzen oder sozialen Strukturen. Diese radikale Freiheit ist das Herzstück seines Ansatzes.
Ein Leben ohne Bindung an Systeme
Krishnamurti wurde 1895 in Indien geboren und schon früh von der Theosophischen Gesellschaft als „Weltlehrer“ auserkoren. Doch anstatt diese Rolle anzunehmen, löste er sich 1929 öffentlich von dieser Verehrung und betonte: „Die Wahrheit ist ein pfadloses Land.“ Dieser berühmte Satz beschreibt die Essenz seiner Philosophie. Es gibt keinen festgelegten Weg zur Erkenntnis, keine Methode, die wiederholt werden könnte, kein Dogma, an das man sich halten sollte.
Was mich an Krishnamurti so fasziniert, ist die radikale Konsequenz, mit der er sich von jeder Form der spirituellen Institutionalisierung lossagte. Er gründete keine Bewegung, keine Gemeinschaft, keine festgelegte Praxis. Seine Gespräche und Schriften kreisen immer wieder um die direkte Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks, frei von allen Interpretationen.
Die Freiheit von der Konditionierung
Krishnamurti stellte immer wieder die Frage: Können wir vollständig frei von unserer Konditionierung sein? Diese Frage ist keine rein intellektuelle Herausforderung, sondern ein Aufruf zur Selbsterforschung. Er betrachtete die Konditionierung nicht nur als kulturelle oder soziale Prägung, sondern als die tiefsten Schichten des Geistes, die durch Gedanken, Erinnerungen und Ängste gebildet werden.
Ein Erlebnis mit Krishnamurti hat mich besonders geprägt. Ich sah mir ein Gespräch zwischen ihm, Rupert Sheldrake und David Bohm an. In diesem Gespräch stellte Krishnamurti eine ebenso einfache wie radikale Frage: „Halten Sie es für möglich, jemals vollkommen frei von Konditionierungen zu sein?“
Die beiden Gesprächspartner schwiegen verdutzt. Krishnamurti fragte noch einmal: „Halten Sie es für möglich?“ Und dann sagte er etwas, das mich tief bewegte: „Wenn Sie es nicht für möglich halten, ist das Gespräch hier zu Ende. Denn wenn wir diesen Konsens nicht teilen, gibt es nichts weiter zu besprechen.“
Das war für mich wie ein Erleuchtungsmoment. Ich erkannte allein durch diese Aussage, was ein Gedanke wirklich ist – und welche Macht er hat, aber auch welche Ohnmacht. Denn das, was ich für möglich halte, wird möglich. Und das, was ich für unmöglich halte, ist unmöglich. Es ist so einfach und direkt, dass es mich umgehauen hat. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich frei bin zu glauben, was ich will. Wenn ich glauben will, dass es möglich ist ohne geistige Begrenzungen zu existieren, dann ist es möglich. Diese Idee raubte mir geradezu den Atem und wies mir meinen weiteren Weg. Krishnamurti zeigte mir, dass ich offen bin für direkte Einsichten, ohne Umwege.
Beobachtung ohne den Beobachter
Krishnamurti sprach oft davon, wie wir in der Lage sein sollten, unsere Gedanken und Gefühle zu beobachten – jedoch ohne die ständige Einmischung eines Beobachters. Für ihn war der Beobachter nicht getrennt von dem, was er beobachtet. Der Gedanke, der sich selbst beobachtet, schafft nur weitere Ebenen der Fragmentierung.
Hier finde ich eine Schnittstelle zu meinem eigenen Ansatz, Deep Access. Auch ich betone die Bedeutung der unmittelbaren Erfahrung, ohne die ständige Bewertung durch den Verstand. Während Krishnamurti jedoch vollkommen auf jegliche Struktur verzichtete, bietet Deep Access eine Einladung, die Muster der Wahrnehmung zu erkennen und zu durchschauen – nicht, um sie zu verändern, sondern um sie in ihrer Natürlichkeit zu sehen.
Die Illusion des Selbst
Krishnamurti lehrte, dass das Selbst – das, was wir als „Ich“ empfinden – ein Konstrukt aus Erinnerungen, Erfahrungen und Gedanken ist. Solange wir an diesem Selbstbild festhalten, bleiben wir in einem Kreislauf aus Angst, Hoffnung und Leid gefangen. Freiheit bedeutet für ihn, diesen Kreislauf zu durchschauen und die permanente Bewegung des Denkens zu erkennen.
In meinem Ansatz sehe ich das ähnlich, jedoch mit einem anderen Fokus. Ich betrachte das Ego nicht als Feind, sondern als Teil der menschlichen Erfahrung. Es muss nicht zerstört, sondern verstanden werden. Der Unterschied liegt in der Herangehensweise: Während Krishnamurti die sofortige Einsicht in die Struktur des Denkens anstrebt, lädt Deep Access dazu ein, durch bewusste Präsenz die Blockaden zu sehen, die uns von diesem direkten Erleben abhalten.
Freiheit liegt jenseits der Methode
Was mich an Krishnamurti immer wieder fasziniert, ist seine radikale Ablehnung jeder Form von Methode oder System. Für ihn ist die Wahrheit kein Ziel, das durch Anstrengung erreicht werden kann, sondern das, was sich im Moment der totalen Wahrnehmung offenbart. Es ist eine Befreiung von der Idee, dass wir etwas werden müssen.
In einem seiner berühmtesten Bücher, „Die Erste und Letzte Freiheit“, schreibt er:
„Die Fähigkeit zu beobachten, ohne zu bewerten, ist die höchste Form von Intelligenz.“
Dieser Satz trifft genau den Kern dessen, worum es auch in Deep Access geht – die Offenheit gegenüber allem, was sich zeigt, ohne es sofort zu bewerten oder zu verändern.
Die Stille der Einsicht
Jiddu Krishnamurti bleibt für mich eine Quelle der Inspiration, weil er die Essenz von Freiheit auf eine Weise vermittelt, die jenseits von Konzepten liegt. Seine Radikalität, seine Klarheit und seine unnachgiebige Weigerung, in vorgefertigte Muster zu verfallen, machen ihn zu einer einzigartigen Stimme in der spirituellen Welt.
Sein Ansatz ist nicht bequem, er fordert heraus, rüttelt auf und konfrontiert uns mit der Frage: „Bist du bereit, alles loszulassen, was Du über Dich und die Welt zu wissen glaubst?“
In meiner eigenen Arbeit mit Deep Access fließt dieser Geist der radikalen Offenheit ein. Es geht nicht darum, etwas zu erreichen, sondern zu erkennen, was immer schon da war. Krishnamurti erinnert uns daran, dass die tiefste Einsicht in der Stille liegt – in dem Moment, in dem der Geist keine Fragen mehr stellt und einfach ist.
In einer Welt, in der das Offensichtliche selten hinterfragt wird, lädt „Ein Riss in der Realität“ dazu ein, tiefer zu blicken und die unsichtbaren Fäden zu entdecken, die unser Sein durchdringen. Dieses Buch versammelt 24 inspirierende Essays, die ursprünglich als Adventskalender auf Nicole Paskows Blog entstanden sind.
Jeder Text öffnet ein neues Fenster in die Weiten unseres Bewusstseins und ermutigt den Leser, die wahre Natur des Menschseins zu erkunden. Es ist eine Einladung, mit den inneren Augen zu sehen und die Klarheit zu finden, die in der Essenz unserer Existenz verborgen liegt.
Die Offenheit wirklich hinzuschauen ohne zu wissen, so wie kindliche Neugier, ohne Scheu. Hier wird es langsamer , nicht mehr so Reaktiv. Es wird still und Aufmerksam in mir, weil ich keine Erwartungen hege. Erst jetzt wird es Weit und ich fühle das Öffnen und das Weiche, das mich willkommen heißt. Jetzt eröffnet sich mir die Hinschau, auf etwas das mir vorher verschlossen war. Die Perspektiven, von mehreren Seiten beleuchtet, bedürfen nicht mehr der Abwehr, da es keine Beurteilung dazu braucht. Allein diese erlebte Offenheit weißt mir den Weg zur Freiheit.
Danke für Deine Worte, Christine
Du hast treffend beschrieben, was passiert, wenn wir wirklich offen sind – ohne Erwartungen, ohne das ständige Wollen.
Ich finde es schön, wie Du beschreibst, dass die Weite genau dann sichtbar wird, wenn nichts mehr abgewehrt werden muss. Es klingt, als hättest Du einen Raum in Dir entdeckt, der schon immer da war, aber jetzt wirklich gesehen wird. LG Nicole
Liebe Nicole, meine Fragen zu Deiner Aussage, alles wird möglich was ich für möglich halte und umgekehrt. Wenn ich mal einen Hypochonder nehme, der hält meisstens die schlimmsten Krankheiten für sich für Realität, hat aber meisstens gar nichts, und Menschen die denken sie könnten nie ernsthaft krank werden, erwischt es dann doch…
Und die zweite Frage betrifft das urteilsfreie Sehen. Eigentlich ist dass willentlich nicht möglich,
weil es einfach passiert. Macht auch nix würde Karl Renz vermutlich sagen, und das nicht beurteilen besser wäre und einen Vorteil verschafft. Ich finde, wenn es nichts macht, dann urteilt man automatisch weniger.
Liebe Nina, Was ich meinte, bezieht sich weniger auf die direkte Wirkung von Gedanken auf die äußere Realität – wie bei Krankheiten – sondern auf die innere Offenheit für das, was möglich ist.
Wenn ich davon spreche, dass etwas möglich wird, wenn ich es für möglich halte, geht es um die Freiheit von Konditionierungen und damit von begrenzten Sichtweisen, von einer Art Zwang also, die Dinge auf eine bestimmte Weise zu sehen. Ein Beispiel: Solange ich glaube, dass ich immer auf bestimmte Weise reagieren muss (z.B. mit Angst oder Abwehr), bleibt dieses Muster bestehen. Wenn ich jedoch erkenne, dass es auch anders sein könnte, öffnet sich plötzlich ein Raum, in dem etwas Neues geschehen kann – unabhängig davon, was im Außen passiert.
Auch beim urteilsfreien Sehen meine ich weniger eine bewusste Entscheidung als vielmehr eine Haltung, die sich von selbst entfaltet, wenn die inneren Bewertungen nicht mehr dominieren. Das geschieht durch Einsicht. Eine Einsicht ist ein plötzliches Sehen ein „Aha!“ Etwas wird einem einfach klar. Es passiert dann nicht durch Absicht, sondern durch die direkte Einsicht, dass es auch anders möglich ist.
So wie Du es selbst beschreibst, wenn Du durch Karl Renz, oder wen auch immer, einsiehst, dass es egal ist, ob man urteilt oder nicht, dann urteilt man automatisch weniger. Das stimmt! Wenn es wirklich egal ist, entsteht eine innere Entspannung. Der Druck, etwas durch ein Urteil verändern und/oder verbessern oder kontrollieren zu müssen, fällt weg. Es gibt kein Bedürfnis mehr, sich über das Urteil zu erheben, oder dagegen anzukämpfen. In dieser Entspanntheit verliert das Urteilen an Bedeutung, weil es einfach nicht mehr notwendig erscheint. LG Nicole
Liebe Nicole,
mir gefällt gut, dass Dein Ansatz das Ego nicht zerstören, sondern verstehen will.
All unsere Versuche etwas auzulöschen, zu verändern, zu transformieren, loszulassen wurzeln im Widerstand gegen das was wir gerade erleben. Widerstand führt immer zu Leid. Je weniger Widerstand desto mehr Frieden.
Das zu leben ist für mich immer noch eine große Herausforderung – Umwelt, Wahlen, Politik, Gesellschaft etc. – aber wenigstens habe ich den Kompass, der mir immer wieder die Richtung weisen kann, wenn ich mich verloren habe. ✨
Ich finde Krishnamurti auch beeindrucken, weil er sich nicht hat verführen lassen zum großen Guru zu werden, der anderen vorgibt wie sie zu sein haben.
Danke Dir!
Sabine
Liebe Sabine, Deine Worte treffen genau den Kern dessen, was mir auch so wichtig ist: Nicht im Widerstand zu kämpfen,
sondern mit Verständnis und Präsenz dem zu begegnen, was gerade ist. Es freut mich sehr, dass dieser Ansatz auch für Dich stimmig ist.
Ja, die äußeren Einflüsse wie Politik, Gesellschaft oder das Weltgeschehen fordern uns immer wieder heraus – gerade in dieser Zeit, und dennoch
ist es dieser innere Kompass, der uns immer wieder zurück zur Klarheit führt. Ich finde es schön, wie bewusst Du das für Dich benennst.
Krishnamurti hat mich aus denselben Gründen beeindruckt: Seine Klarheit, frei von der Versuchung, andere zu belehren, sondern vielmehr ein Spiegel für die eigene Einsicht zu sein.
Danke Dir für Deine wertschätzenden Worte! 🙂 LG Nicole
Auch Krishnamurti habe ich gelesen, vor vielen Jahren. Es hat wohl nicht gefruchtet damals, denn ich hatte keinerlei Erinnerung mehr an seinen Ansatz. Was ich jetzt über ihn bei Dir lese, lässt mich ein bisschen erschaudern, denn es ist genau das, wo ich selbst angekommen bin. Und wegen für möglich oder ummöglich halten: vor ein paar Monaten kam mir mit einem Knall die Einsicht, was ich alles für unmöglich halte, so völlig gewohnheitsmäßig, unreflektiert. Danke Dir für diese Reihe und ganz besonders für den häutigen Beitrag!
Liebe Natalja, ja, manchmal scheint es, als ob bestimmte Einsichten erst dann in uns reifen, wenn wir wirklich bereit sind, sie zu empfangen – auch wenn die Worte uns vielleicht schon früher begegnet sind. Deine Erfahrung mit dem plötzlichen Erkennen all dessen, was Du für unmöglich gehalten hast, klingt kraftvoll. Es zeigt, wie sehr sich unsere gewohnheitsmäßigen Überzeugungen unbemerkt einnisten können. Ich freu mich, wenn diese Reihe Dich genau dort abholt, wo Du jetzt stehst – mitten in diesem lebendigen Prozess. Danke, dass Du das teilst.:-)
Ich habe tatsächlich „häutig“ statt „heutig“ geschrieben. Lustig und ein bisschen peinlich…
Die Begegnung mit J.Krishnamurti hat mich regelrecht aus den Pantinen gekippt. Nicht nur, dass er ein äußerst attraktiver Jüngling/Mann war mit beeindruckender GeistesTiefe, sondern vor allem weil seine Aussagen meine bis dato Annahmen und Betrachtungsweisen völlig aus der bestehenden Fassung brachten.
Was mich als Erstes gänzlich in seinen Bann zog war die Aussage: ‚ Freiheit steht nicht am Ende der Entwicklung des Menschen, sie liegt vielmehr im ersten Schritt seines Daseins.‘ Dazu hat mein Freiheitsdrang einen Salto Mortale gemacht!
und weiter : ‚ In der Psyche gibt es keine Evolution.‘ Da haben bei mir die Zähne geknirscht. . . und schließlich erläuterte er, dass es möglich sei- kraft Bewusstsein- auf diesen seit Ewigkeiten vorhandenen Freiheitsgrund aus Intelligenz/Liebe zu leuchten/direkt darin einzutauchen . . . Für dieses Ansinnen habe ich komplett Feuer gefangen, Liebe auf den ersten Blick gehegt für seinen(Krishnamurtis) unvergleichlichen ‚STILLE-GEIST‘ und so oft ich konnte, inhalierte ich, gemeinsam mit Interessierten, seine Erforschungsdialoge . . . stets mit knirschenden Zähnen !!!!!!!!!!!! weil sie mich ständig an MEINE Grenzen brachten🙃
Dieser ganze Auf Bruch schubste mich zu Karl Renz zur ultimativen chirurgischen Klärung 😃 und
Deine Gespräche mit Karl Renz, Nicole, dien(t)en mir letztlich
als Balsam für die Wunden dieser aufregendsten Lebensreise😊
Geblieben ist ein STILLE-LICHT, das durch die Meisterwelten leuchten kann und in jedem auch noch so mühseligen Alltagsschritt erhellend blinkt. Im leuchtenden Sternenhimmel bin ich zuhaus. Meine Erdenschritte verglimmen in den Himmelstritten genau hier, jetzt, da wo ich grad stehe . . . in herzlicher Verbundenheit.
Ganz lieben Dank, Maja, für Deine wunderbaren Ergänzungen zu Krishnamurti! Da zeichnest Du einen schönen, zähneknirschenden
Weg des Erkennens nach :-D. Ich bin ganz gerührt von der Poesie Deiner Worte. Sie machen fühlbar, was Bedeutung ist, die sich
selbst entdeckt und erlebt. Danke. Ja … in herzlicher Verbundenheit.
ps- Nicole : Hast Du diese lustigen ‚Chatfiguren‘ kreiert?
Sie sind so lustig!
Die Chatfiguren passieren von alleine :-D. Ich mag sie auch.