Gangaji - die Stille, die alles durchdringt- anhören
Manche spirituellen Lehrer laden ein, über Konzepte nachzudenken. Andere führen durch Fragen in einen Prozess der Selbstuntersuchung. Und dann gibt es Lehrer wie Gangaji, die direkt an der Grenze der Worte stehen, an jenem Punkt, wo sie sich auflösen und nur noch Stille bleibt. Eine Stille, die keine Leere ist, sondern die Fülle von dem, was immer schon war.
Gangaji gehört zu den Lehrern, die nicht erklären, sondern dich in die Erfahrung führen. Ihre Worte sind nicht dazu da, eine neue Denkweise zu etablieren oder bestehende Sichtweisen zu hinterfragen. Sie sind ein offenes Fenster, durch das frische Luft strömt – wenn man bereit ist, zu lauschen.
Gangajis Weg – Vom Suchen zum Finden
Gangajis Geschichte beginnt nicht anders als die vieler Suchender. Sie war nicht von Anfang an eine spirituelle Lehrerin. Ihr Geburtsname war Antoinette Roberson Varner, und sie wuchs in Texas auf. Wie viele andere, die sich irgendwann auf eine tiefere Reise begeben, hatte sie lange das Gefühl, dass etwas in ihrem Leben fehlte – auch wenn auf der Oberfläche alles gut zu sein schien.
Sie studierte Literatur, wurde Lehrerin, heiratete und führte ein Leben, das von außen betrachtet in geordneten Bahnen verlief. Doch innerlich war da eine Unruhe. Ein Gefühl, dass da mehr sein musste. Dass das, was ihr das Leben an Identitäten und Rollen zuschrieb, nicht das war, worauf es wirklich ankam.
In den späten 1970er Jahren begann sie sich mit Meditation zu beschäftigen, praktizierte Buddhismus und folgte dem spirituellen Mainstream jener Zeit. Sie fand Lehrer, Methoden, Techniken – aber nichts davon brachte sie in den tiefen inneren Frieden, nach dem sie suchte.
Erst 1990, als sie mit ihrem Mann Eli Jaxon-Bear nach Indien reiste, begegnete sie Papaji – und diese Begegnung veränderte alles.
Papaji war ein direkter Schüler von Ramana Maharshi und bekannt für seine kompromisslose Direktheit. Er erkannte in Gangaji eine Tiefe, die bereits da war, aber noch hinter dem Suchenden verborgen lag. Also tat er das, was er bei vielen tat:
Er nahm ihr die Suche weg.
„Hör auf zu suchen. Halte inne. Sei still.“
Es war dieser eine Moment der Stille, in dem sie verstand: Da gibt es nichts zu finden. Ich bin bereits das, wonach ich suche.
Das Suchen fiel von ihr ab, und eine tiefe, unerschütterliche Klarheit stellte sich ein. Danach begann sie selbst zu sprechen – nicht, um etwas zu lehren, sondern um das weiterzugeben, was in ihr selbst zur Wahrheit geworden war.
Eine Antwort, die alles veränderte
Wenn ich an Gangaji denke, fällt mir immer eine kleine Begebenheit ein, die mich mehr gelehrt hat als so manches lange Gespräch.
Als ich 2016 meinen ersten Online-Befreiungskongress veranstaltet habe, bekam ich Kontakt zu Gangaji und Eli. Ich wollte sie unbedingt für ein Interview gewinnen, weil mich ihre Präsenz und ihre Klarheit faszinierte. Also nahm ich extra ein Video auf, um sie persönlich einzuladen.
Als ich es abgeschickt hatte und mir das Video noch einmal ansah, überkam mich das Gefühl: Das war furchtbar! Ich sah mich selbst, aufgeregt wie ein Hühnchen, in dem Wunsch, ihre Weisheit einzufangen. Ich wollte sie unbedingt befragen, sie gewinnen, sie in mein Projekt einbinden.
Und dann kam ihre Antwort.
„Calm your mind and see.“
„Beruhige Deinen Geist und schau einfach.“
Das war alles. Keine lange Erklärung. Keine höfliche Absage mit Begründung. Nur diese wenigen Worte.
Und in diesen wenigen Worten steckte mehr Wahrheit, als ich mir damals eingestehen konnte.
Wie oft suchen wir nach Antworten, ohne zu bemerken, dass die Antwort längst da ist?
Wie oft meinen wir, wir müssten noch etwas „verstehen“, während das, was wirklich zählt, jenseits dieses ständigen Verstehens liegt?
Manchmal muss man Dinge öfter von verschiedenen Menschen hören. Und manchmal sagt plötzlich jemand genau die richtigen Worte in genau der richtigen Energie – und auf einmal sackt etwas tiefer.
Das war mein Moment mit Gangaji. Ein Moment, in dem ich verstand, dass es nicht darum geht, noch mehr Wissen zu sammeln. Sondern darum, einfach zu schauen.
Tiefe Annahme statt Veränderung
Diese Perspektive hat eine gewisse Nähe zu meinem eigenen Ansatz, Deep Access. Auch dort geht es nicht um eine Technik oder eine Methode, die irgendwohin führt. Es geht um das radikale Seinlassen, darum, nicht gegen das zu kämpfen, was sich zeigt.
Der entscheidende Unterschied liegt vielleicht darin, wie man an diesen Punkt herangeführt wird.
Gangaji leitet durch Hingabe an die Stille. Sie zeigt, dass das, was du suchst, bereits da ist – nicht durch Analyse oder Reflexion, sondern durch das tiefe Fallenlassen.
Deep Access hingegen schaut sich die inneren Mechanismen genauer an. Es geht darum, die Wahrnehmungsfilter und unbewussten Strukturen zu erkennen, die das Erleben formen. Es geht nicht darum, sie zu verändern, sondern sie so klar zu sehen, dass sie ihre Kontrolle verlieren. Sich selbst durchschauen, anstatt sich selbst zu verlieren.
Gangaji lässt alles fallen.
Deep Access macht sichtbar, was fällt.
Für wen ist Gangaji, für wen Deep Access?
Es gibt Menschen, für die Gangaji genau das ist, was sie brauchen. Wenn das Erkennen bereits greifbar ist, wenn es nur noch einer sanften Erlaubnis bedarf, in die Wahrheit zu fallen, dann kann ihre Präsenz wie ein letzter Windhauch sein, der das Kartenhaus der Illusion zusammenfallen lässt.
Für andere ist dieser Sprung jedoch zu abrupt. Sie spüren, dass es da noch etwas gibt, das verstanden werden will. Nicht auf der Ebene von Konzepten, sondern auf der Ebene der eigenen emotionalen und psychischen Struktur. Genau hier setzt Deep Access an.
Beide Wege sind keine Gegensätze. Sie sind verschiedene Einstiege in die gleiche Erkenntnis. Manche stehen bereits an der Tür und müssen nur noch hindurchgehen. Andere stehen noch in einem Labyrinth aus Gedanken und Emotionen – und für sie ist es hilfreich, die Struktur dieses Labyrinths zu erkennen, bevor es sich von selbst auflöst.
Stille, die Dich nicht braucht
Was ich an Gangaji so schätze, ist die Unmittelbarkeit ihrer Präsenz. Sie lehrt nicht, sie leitet nicht an – sie ist einfach. Wer ihr begegnet, spürt vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, dass nichts getan werden muss.
Diese Erfahrung kann alles verändern – oder auch nicht. Doch das Erkennen bleibt, selbst wenn es nur für einen Moment auftaucht:
Ich bin schon da. Ich bin immer hier gewesen.
Dieser Blogartikel könnte nun einfach enden. Aber genau das ist ja das Faszinierende: Es endet nie.
Egal, ob Du mit Gangaji oder mit Deep Access in Berührung kommst – das Leben wird sich weiter entfalten. Es gibt keine letzte Erkenntnis, keine endgültige Klarheit, die einmal erreicht wird und dann bleibt.
Was bleibt, ist nur dieser Moment.
Und wenn Du bereit bist, wirklich hier zu sein, dann wirst Du alles finden – nicht in einer Idee, nicht in einer Methode, sondern in dem, was jetzt geschieht.
***
Mehr zu meinem Online Seminar Deep Access & das Enneagramm vom 14. bis 16. März 2025, findest Du hier.
In einer Welt, in der das Offensichtliche selten hinterfragt wird, lädt „Ein Riss in der Realität“ dazu ein, tiefer zu blicken und die unsichtbaren Fäden zu entdecken, die unser Sein durchdringen. Dieses Buch versammelt 24 inspirierende Essays, die ursprünglich als Adventskalender auf Nicole Paskows Blog entstanden sind.
Jeder Text öffnet ein neues Fenster in die Weiten unseres Bewusstseins und ermutigt den Leser, die wahre Natur des Menschseins zu erkunden. Es ist eine Einladung, mit den inneren Augen zu sehen und die Klarheit zu finden, die in der Essenz unserer Existenz verborgen liegt.
Den Dornen entfliegen all die bunten Schmetterlinge.
Aus den blutendsten Wunden strömt das hellste Licht.
Und wenn Menschen aus tiefem Berührt- Sein in sich selbst , einander begegnen, singt mein Herz ein Lied dazu.
in V e r b u n d e n h e i t .
🙂