Woher kommt das Licht - anhören
Der Geschmack des Tees, der auf meiner Zunge zerfließt, ist nicht mehr oder weniger wert als der Schmerz in meinem Kopf oder die Freude in meinem Herzen oder der Krampf in der Wade.
Heute ist es warm, gestern war es kalt. Jetzt ist es windig. Ich habe Zahnweh, die Luft ist frisch.
Hier ist diese Empfindung, dort ist jene Empfindung …
Der Ichgedanke ist nicht mehr oder weniger wert als der Tee auf meiner Zunge oder der Rotwein in meiner Kehle, oder das nagende Gefühl der Traurigkeit, das mich manchmal durchzieht.
Was machen wir nur mit der unendlichen Sinnlosigkeit des Daseins, wenn wir ihrer gewahr werden? Wenn durchdringt, was es bedeutet, dass kein ordnendes Prinzip in das Geschehen eingreift, das wir wahrnehmen. Weil jedes Geschehen bereits wahrgenommen ist?
Alles zeigt sich in der Wahrnehmung
Auch wenn Du es noch so gerne hättest, Du triffst keine Entscheidungen. Du nimmst sie lediglich wahr.Wie Du alles wahrnimmst. Auch dass es sich so anfühlt, als träfest Du Entscheidungen, ist wahrgenommen. Sie zeigen sich in Dir, wie Wolken am Himmel oder Vögel, oder Regen.
Alles zeigt sich in der Wahrnehmung. Auch Dein Körper ist in ihr, auch Deine Gedanken und Gefühle sind in ihr, auch das, was Du „Ich“ nennst, ist darin enthalten. Kein Eingriff möglich. Aber … es ist auch kein Engriff nötig. Wenn das klar ist, ist auch klar, dass es da wirklich niemanden gibt, der etwas tut, denn selbst die Erfahrung eines Jemand, der etwas tut, ist wahrgenommen. Sie ist nicht getrennt vom Urgrund der Wahrnehmung selbst.
Kannst Du so tief in Dich einsinken, dass das sichtbar wird?
Es gibt niemanden, der ein Problem mit „Dir“ hat. Auch „Du“ hast es nicht, weil es „Dich“ so, wie Du es glaubst, nicht gibt. Dieses tiefe, vertraute, bekannte Ichgefühl ist in jedem Augenblick wahrgenommen, es liegt schon in der „Hand Gottes“ und Du musst rein gar nichts dafür tun, denn das Gefühl zu existieren, hast Du einzig und allein, weil Du bereits in dieser Hand liegst.
Die Hand Gottes, in der alles liegt …
Ohne sie, wärest Du nicht wahrgenommen und somit nicht existent. Dann würdest Du weder als Problem auftauchen noch als Nichtproblem. Doch Du tauchst auf, Du bist fühlbar als Verbund unterschiedlicher Empfindungen, die gefühlt, gedacht, gesagt … werden. So, wie jeder andere auch. Wir Menschen sind wie unterschiedliche Landschaften, durch die wir fahren. Manche zeigen sich als festes Gebirge, andere als Meer, wieder andere als Wüsten oder als Wälder.
Wir sind im großen Geist empfangen, dem Geist, der für sich selbst nichts ist. Gewahrsein ist die erste Erfahrung von Dasein, das ursprüngliche Licht. Es ist wie ein weiter, offener Blick, der alles empfängt, aber nichts sieht, weil da kein Fokus ist, der etwas registrieren kann. Ein blindes Auge, in dem nichts deutlich wird. Darin formt sich das „Ich Bin“, die Erfahrung eines Sehenden, der im und durch das Sehen die Welt entdeckt und gleichzeitig als Gesehenes erschafft.
Hier spielt sich alles ab, was wir kennen. Wir erscheinen im großen „Ich bin“ als Ichgedanken, die sich aufspalten in konkrete Erfahrungen, welche sich von anderen abgrenzen, um sich ihrer selbst bewusst zu werden. Wir sind das ausdifferenzierte Gewahrsein.
Zwischen A und Z ist scheinbar eine Bewegung
Im Selbst-bewusstsein des „Ich bin“ machen wir die menschliche Erfahrung. Wie ein Trichter, der sich von der Weite in die Enge verjüngt aber selbst an der engsten Öffnung nicht von der Weite getrennt ist. Zwischen der Offenheit und der Enge liegt nur eine Bewegung, die als Zeit und Raum in der Wahrnehmung der fokussierten Perspektive der Aufmerksamkeit sichtbar wird.
Sie ist das bewegliche Auge des Gewahrseins. Sie allein macht sichtbar, was wir als Welt und „uns selbst“ erfahren. Dabei sind wir in keiner Sekunde vom allgegenwärtigen, undifferenzierten, nicht fokussierten Gewahrsein getrennt.
Gehen wir noch einen Schritt weiter. Springen wir von der hohen Klippe der Wahrnehmung selbst. Ich bin da und sehe mich und die Welt. Ich sehe Dich und alles andere, ich fühle und denke und spreche. Und ich bin in keiner Sekunde von Gottes Hand getrennt, die mich im Gewahrsein hält als nicht herausschälbare Unbeschreiblichkeit, die geschieht. Doch was geschieht, wenn wir uns dem zuwenden, worin das Gewahrsein, das erste Licht überhaupt herkommt? Wo kommt das Licht her?
Vor dem Licht ist Tiefschlaf
Blicken wir an jenen Ort, der sich als Quelle des Lichts zu erkennen gibt, ist es so, als würde der Klang einer Stimme im schalldichten Raum verschluckt. Wohin geht der Schall? Er verliert sich in der Dichte des Schaumstoffs und wird nicht weiter transportiert. Hier ist das Ende der Erfahrung des Klangs.
Woher kommt das Licht? Da ist kein Ort mehr, wo die Wahrnehmung hinreicht. Kein Zutritt. Nichts worüber sich etwas sagen ließe. Es ist ein absoluter Nichtort: Der Ursprung des Erwachens zum Universum. Der endlose Moment vor dem Urknall – die Ewigkeit vor der Entstehung des Lichts.
Stell Dir vor Du schläfst nachts ein. Kein Ich mehr da. Es ist so runtergefahren, dass es nicht mehr in der Wahrnehmung auftaucht. Du weißt nichts mehr von Dir, wenn Du eingeschlafen bist.
Der Träumende ist nicht zu sehen
Stattdessen passiert: Ein Traum. Du träumst, ohne zu wissen, dass Du träumst. Der Erfahrende ist nicht da. Nur Erfahrung geschieht. Und sie geschieht niemandem, solange Du nicht darin auftauchst als der Träumende selbst als das von sich selbst wissende „Du“. Der Traum erscheint im Gewahrsein. Kann man davon sprechen, dass etwas erlebt wird, wenn nur Erleben stattfindet, ohne jemanden, der es erlebt?
Können wir den Traum nicht erst dann als Traum benennen, wenn wir zu „uns selbst“ erwacht sind? Im Rückblick des Wachbewusstseins, sozusagen? Wenn kein Erlebender da ist, gibt es auch kein Erleben. Dann gibt es keine Beschreibung. Dann sind wir im Zustand des Säuglings, der noch immer im undifferenzierten Gewahrsein seiner selbst existiert, bis sich die Welt durch permanentes Hinsehen herauszukristallisieren beginnt.
Man könnte also sagen: Das Universum erwacht aus dem Schlaf Gottes zu sich Selbst. Vor dem Urknall ist weder Nichts noch Etwas, weder Selbst noch Nichtselbst. Vor der Entstehung des Lichts ruht die absolute Glückseligkeit in sich selbst. Warum Glückseligkeit?
Nichts stört den Frieden
Weil dort niemand ist, der von sich weiß. Ist niemand da, der von sich weiß, ist nichts da, was stören könnte, weil im Absoluten kein Platz für zwei ist. Kein Beobachter und nichts Beobachtetes. Die gibt es erst dort, wo es Licht geworden ist.
Dort, wo kein Licht ist, gibt es weder Raum noch Zeit. Das Absolute hat keine Dimension. Es ist aber der Ursprung von allem, was ist. Der Ursprung von allem, was ist, ist ein dimensionsloser (Nicht) Ort, der in vollkommener Unwissenheit, glückselig in sich selbst ruht (schläft). Für immer und in alle Ewigkeit.
Er träumt das Gewahrsein seiner selbst, in dem ein absolutes Ich (bin) auftaucht, das sich durch unendlich viele relative (vorübergehende) Ichgedanken in unterschiedlicher Ausformung erfährt. Als Ich und als Du.
Die glückliche Saglosigkeit …
Wir sind die Spitze des Trichters, die immer mit sich selbst als vollkommene Offenheit verbunden ist, als das Licht, das den Traum eines bewusstlosen Schläfers projiziert, der wir alle schon immer und für immer sind. Unsere Wurzeln liegen in der glücklichen Saglosigkeit unserer Existenz.
Genau dorthin kehrt jedes Blatt zurück, das vom Baum fällt, wenn seine Zeit gekommen ist. Dann ist es wieder im absoluten Frieden der Nichterscheinung, aus der heraus sich, beim nächsten Zyklus, ein neuer Traum gebiert, der neue Knospen sichtbar macht und als neuer Ichgedanke, die Welt als den Spiegel seines unerfahrbaren Selbst‘ entdecken kann.
Liebe Nicole, manchmal frage ich mich ob ich das alles überhaupt noch lesen soll… viel zu anstrengend…woher kommt das Licht und woher die Dunkelheit in der ich mich mal sehr wohlgefühlt habe obwohl ich das nicht mal mehr weiß.Irgendwie bin ich nicht mal…ich passiere anscheinend ohne ich…und selbst da ist noch ein ich…und das ist kein Fehler und kein Recht..einfach nur Geschriebsel🤭❣️Danke
So ist es Sibylle! Es ist einfach nur Geschreibsel. Das Tiefste lässt sich nicht in Worten finden, sie können uns nur darauf aufmerksam machen auf eine Weise zu sehen, die es jedem für sich selbst offenbart. Wir tun, was wir tun, fragen uns, was wir uns fragen, antworten, was wir antworten. Es ist immer anstrengend, wenn etwas verstanden werden soll, was nicht sofort offensichtlich ist. Mal schreibe ich über Dies und mal über Das. Wie es gerade will. Das ist sehr einfach. Es geht dabei um gar nichts und gleichzeitig um alles. Und das finde ich schön, deshalb mache ich das. 🙂 LG Nicole
Einfach und wach leben – ist das Wesentliche.
Nietsche sagt dazu: „Solange wir erkennen, leben wir nicht“.
Wir begleiten uns gerne und wir tauschen uns aus mit unseren Zweifeln und unseren Erkenntnissen. In der Stille erscheint die Gewissheit dass solange ich als Johannes erkennen will solange lebe ich noch nicht als
als Ausdruck des Lebens.
Gänsehaut durch den wahrhaftigen, unendlichen, göttlichen Inhalt Deiner wohltemperierten Stimme.
Herzlichen Dank.
Victor.
Wie schön Viktor. 🙂 Herzlich, Nicole
Ich weiß nicht woher Du das alles schöpfst, was Du siehst und beschreibst, ich will auch gar nichts verstehen. Ich folge Dir einfach, Deinen Worten, Deiner Stimme und finde das, was ich durch Dich erlebe wunderschön. Es bereichert meine Erfahrungswelt und führt mich an Orte an die ich ohne Dich nie kommen würde. Danke dafür liebe Nicole!
Schön, wenn wir zusammen neue Landschaften begehen, Nina 🙂
..einmal mehr ein herzliches Dankeschön (..auch für die warme und beruhigende Stimme, die hier Behaglichkeit erzeugt)..
Die immer wieder auftauchende „Ich-Struktur“ in all ihren, meist sich wiederholenden Facetten, verweigert sich rastlos der Hingabe an das. Es kann es einfach nicht. Es ist nicht sein Spielfeld. Übermächtig erscheint der sich wiederholende zwanghafte Impuls, die äußere vermeintlich „persönliche“ Erscheinungswelt, aus dem Widerstand gegen so etwas was als Angst bezeichnet wird kontrollieren zu müssen. Selbst die interpretierte Konzeption der Hingabe. Es will die Hingabe tun. Es will sie nutzen, um Sicherheit und Geborgenheit zu erlangen…Die allgegenwärtige Angst vor aller Vergänglichkeit, aller Auflösung jedweder Kontrollmöglichkeit, welche es doch nie hatte…die Fata-Morgana lässt nicht locker. Was soll es bloß noch alles tun, um die Kontrolle und somit die Bestätigung seiner Wahrhaftigkeit zu erlangen..
Manches Mal, oder auch des öfteren erscheint er sooo anstrengend und bedrohlich – der Widerstand, der sich „Ich“ nennt.. 😉
Ja, genau, J. Das ist die Eigenschaft eines Widerstands: Er ist anstrengend und bedrohlich, er grenzt ab und stemmt sich dagegen. Was anderes kann er nicht, weil er nichts anderes ist als ein Widerstand. Mal ist er mehr da, mal weniger. Was soll’s … Wir können ja immer nur sehen, dass es so geschieht, wie es passiert. 🙂
uuuhhh … ich schreib‘ einfach mal direkt drauf los:
Das mit dem Traum erschließt sich mir nicht.
Bei mir gibt es Träume, an die ich mich viele Jahre später noch sehr gut erinnern kann. Wäre das möglich, hätte ich (oder mein Bewußtsein) sie nicht erlebt?
Wenn ich als „ich“ träume und dann nach Luft ringend aufwache … habe ich doch etwas erlebt?
Oder wie meinst du das …
Ich meine das so, Valentina: Du kannst erst nach dem Aufwachen sagen, dass Du geträumt hast. Während des Traums selbst wird nur erlebt, was geschieht. Du siehst Dich vielleicht durch eine Stadt laufen, aber erst wenn Du wieder wach bist kannst Du sagen: „Ich habe gerade geträumt, dass ich durch eine Stadt gelaufen bin.“ Während Du träumst kannst Du nichts über das Geschehen sagen, weil „Du“ nicht als „Du“ von Dir weißt. Der Traum ist ohne Träumer. Reines Erleben.
Erst wenn ein Jemand zu sich erwacht kann über das Erleben gesprochen werden. Und wenn wir noch genauer hinsehen: Erst wenn ein Ich da ist, gibt es überhaupt ein Erleben.
Ohne ein Ich, das sich seiner selbst bewusst ist, können wir nichts über irgendetwas sagen.
Also erst wenn Du nach Luft ringend aufwachst, weißt Du, dass Du einen Alptraum hattest. Vorher war nur Erleben. Wie eine Figur in einem Film, die nichts von dem Film weiß, in dem sie eine Figur ist.
Ich hoffe mal, das verdeutlicht Dir was ich meine. LG Nicole
Bravo! Nicole! dass Du die Forscherbrille aufgesetzt hast und Deinen genialen Blick über die ultimativen Abenteuer der Lebensreise hast schweifen lassen: wenn das nicht ein verzaubertes Weben dieses Lebensgeflechts ist aus ‚unsren Wurzeln, die in der glücklichen Sorglosigkeit unsrer Existenz liegen’…!!
….es könnte paradoxer nicht sein, wie viele Sorgenfalten sich in unsere Gesichter gelegt haben ob dieser vermeintlich von uns erreichbaren glücklichen Sorglosigkeit, die wir schon immer sind-:)) Es gibt sogar eigene ‚WiderstandsGesichtsSorgenFaltenAtlantenLeser’hihi
Wir planen Sorgenzeiten ein um sorgenfreie Pausen einzulegen; wir betreiben Nachsorge, Vorsorge und auch Seelsorge. Die Fürsorge füreinander macht entspannt oder auch nicht..
und ja wie Du, Nicole, J, geantwortet hast: Widerstand…mal ist er mehr da, mal weniger. Was soll’s. Wir können ja immer nur sehen, dass es so geschieht, wie es passiert😊‘
und die SELBSTfürsorge ist schließlich untrüglich, weil sie glückliche Sorglosigkeit ist. Das ist gewiss.
jetzt ist mir beihnah ein Licht aufgegangen😅…soo spannend der Artikel!! Mersì, Nicole
Liebe Nicole,
So ein „Wirklichkeitslichtblick“ , die Saglosigkeit in Worten….!!!
DANKE FÜR DIESEN GENUSS UND VERTIEFUNG!!
DASSELBE lese ich gerade in andere Worten
Ohne das, was sieht – wie sollte es da Gesehenes geben?
Weil jedoch das, was sieht, ist, was ich wirklich bin,
muss das Gesehene genau das sein, was (es) sieht.
Vom Allerinnersten
Marianne
Puh. Mir gehts so: gerade kann ich so vielen Worten nicht folgen und es erscheint mir alles so abstrakt. Mental hab ich früh abgeschaltet und den Energien hinter den Worten gelauscht….dem Klang deiner Stimme. In meiner Vorstellung nehme ich ihn als sehr angenehm wahr und lausche und lausche und lausche. Das zu verdeutlichen oder zu erklären, was dann passiert, was dort erscheint im Raum hinter den Worten, obliegt mir nicht. Ich ist da machtlos und das ist okay. Und wo ich so lausche, taucht eine ganze Landschaft in mir auf, voller Berge und Täler, oder ich in sie, und nachher denke ich, das könnte es sein, wovon du sprichst? Ich mag nix mehr verstehen, nur lauschen.