Die Dunkelheit des Nichtwissens- anhören

von Nicole Paskow

„In der Dunkelheit des Nichtwissens leuchtet das Licht der Erkenntnis am hellsten.“

Dieser Satz birgt eine Wahrheit in sich, die sich oft erst im tiefsten Inneren offenbart, dort, wo die gängigen Begriffe von „Wissen“ und „Erkenntnis“ keinen Halt mehr finden. Es ist, als ob das Leben uns durch ein dichtes Dickicht führt, das sich nur im Nebel der Ungewissheit lichtet – und gerade in diesen dämmerigen Momenten, wenn der Verstand aufhört zu kämpfen, wenn die Suche nach Kontrolle losgelassen wird, erwacht ein inneres Licht, das heller strahlt als alles, was vorher greifbar schien.

Die Dunkelheit des Nichtwissens ist nicht einfach das Fehlen von Information oder Klarheit. Es ist ein Raum, der uns zwingt, in uns selbst hineinzuschauen. Nicht mit den Augen des Verstandes, die nach logischen Antworten suchen, sondern mit einer Art innerem Sehen, das sich nur im Schweigen, in der Hingabe an das Unbekannte öffnet.

Es ist wie das Gefühl, nachts allein unter einem weiten, sternlosen Himmel zu stehen – zuerst eine Erfahrung tiefer Verlorenheit, doch dann, ganz plötzlich, das Erwachen eines Empfindens, das tiefer geht als jede vorherige Erkenntnis. Der Raum der Dunkelheit bietet eine Einladung: die Einladung, in die Tiefe des eigenen Seins einzutauchen – statt es nur zu wissen.

Wahres Wissen ist „Sein“

Oft ist unser Leben von der Illusion durchdrungen, dass Wissen gleichbedeutend mit Sicherheit ist. Wir sammeln Fakten, Informationen, Erfahrungen, um uns ein Bild von der Welt zu machen, das uns ein Gefühl von Kontrolle gibt. Doch dieses Bild ist, bei genauer Betrachtung, immer unvollständig. Es ist, als ob wir einen riesigen Mosaikboden betrachten, von dem uns die meisten Teile fehlen. Wir wissen es vielleicht nicht immer, aber unser Verstand ahnt es:

Er kann den Mangel nicht ausgleichen. In der Leere des Nichtwissens jedoch – in dem Moment, in dem wir akzeptieren, dass wir nicht alles verstehen müssen und können – öffnet sich der Raum für das, was wirklich zählt. Dort, wo wir nichts mehr wissen, wo die alte Ordnung zerbricht, bricht das Licht der Erkenntnis durch.

Es ist vergleichbar mit einem Vogel, der in der Nacht singt. Es gibt keinen offensichtlichen Grund, warum er singt, und doch tut er es. Sein Lied hallt durch die Dunkelheit, als würde er die Unsichtbarkeit des Augenblicks feiern. So ähnlich verhält es sich mit dem Licht der Erkenntnis, das uns in Zeiten der größten Unsicherheit erreicht.

Wahres Wissen (be)trifft Dich direkt

Es ist nicht die Erkenntnis, die uns aus einem Buch oder einem Vortrag erwächst, sondern eine tiefere Art von Einsicht, die uns ganz unmittelbar begegnet und betrifft. Sie taucht in Momenten auf, in denen der Verstand still wird, in denen das Bedürfnis nach Kontrolle erlischt und wir einfach nur „sind“.

Dieser Übergang, vom Wissen ins Nichtwissen, vom Licht in die Dunkelheit und wieder zurück, ist keine lineare Reise. Er ist ein Tanz – ein Tanz, der uns auffordert, dem Fluss des Lebens zu vertrauen. Die Dunkelheit erscheint oft als etwas, das es zu überwinden gilt, etwas, das uns bedroht, das uns verloren fühlen lässt. Doch was wäre, wenn genau diese Dunkelheit der Raum ist, in dem das Leben sich in seiner reinsten Form offenbart?

Es ist die Tiefe des Nichtwissens, die uns zu einem Zustand führt, der tiefer ist als alles, was wir uns vorstellen können. Hier, in dieser Tiefe, strahlt das Licht der Erkenntnis nicht, weil es etwas erhellen muss, sondern weil es einfach „ist“. Es leuchtet aus sich selbst heraus.

Wahres Wissen ist nie vollständig

Manchmal erscheint das Leben wie ein Puzzle, dessen Teile sich nicht zusammenfügen lassen. Es gibt Momente, in denen wir verzweifelt nach dem einen fehlenden Teil suchen, das alles Sinn ergeben lässt. Doch was wäre, wenn das Puzzle nie vollständig sein sollte? Was wäre, wenn das Unvollständige, das Ungewisse, das Fehlen dieses letzten Teils genau das ist, was uns die Freiheit gibt, das Puzzle immer wieder neu zu gestalten?

In dieser Leere, in der Dunkelheit des Nichtwissens, liegt die Möglichkeit, etwas völlig Neues zu entdecken – nicht das fehlende Teil, sondern eine neue Art, die Teile zu betrachten. Die Erkenntnis ist kein Endziel, sondern ein ständiger Prozess, ein Fließen, das niemals endet.

Diese Dunkelheit ist nicht nur eine Metapher für das Unbekannte im Außen. Sie verweist auch auf den inneren Raum, der oft mit unseren eigenen Schatten und Ängsten gefüllt ist. Es ist der Raum, in dem unsere Unsicherheiten leben, unsere Zweifel, unsere ungelösten Fragen. Und doch, paradoxerweise, ist es genau dieser Raum, der das größte Potenzial für Wachstum und Transformation birgt.

Wahres Wissen ist Sehen und Fühlen

Denn in der Dunkelheit unseres eigenen Inneren können wir Dinge sehen, die im grellen Licht des Tages unsichtbar bleiben. Die Dunkelheit erlaubt es uns, die subtilen Schattierungen des Lebens zu erkennen, die leisen Stimmen, die sonst im Lärm des Alltags untergehen.

Und so wird das Nichtwissen zu einem Ort der Erneuerung. Es ist nicht der Feind, sondern ein Freund, der uns sanft in die Tiefen unseres eigenen Seins führt. In diesen Momenten, in denen wir aufhören zu wissen, beginnen wir zu sehen. Es ist, als ob das Leben uns zuflüstert: „Du musst nicht alles verstehen, um in der Tiefe des Seins zu ruhen.“ Es gibt keine vorgefertigten Antworten, keine fertigen Wege, nur die ständige Einladung, uns in die innere Dunkelheit zu begeben und dort das Licht zu finden, das immer schon da war.

Die Dunkelheit des Nichtwissens ist also nicht das Ende, sondern der Anfang – der Anfang einer Entdeckung, die uns tiefer in uns selbst führt. Es ist der Raum, in dem das Leben in seiner vollen Tiefe erfahren wird, ohne die Notwendigkeit, alles zu verstehen. In dieser Dunkelheit wird das Licht der Erkenntnis nicht durch äußeres Wissen, sondern durch innere Stille entfacht. Es ist ein Licht, das uns zeigt, dass wir nichts wissen müssen, um alles zu erkennen.

 

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