Das Einssein von Bewusstsein und Erfahrung- anhören

von Nicole Paskow

Als Menschen neigen wir dazu, uns mit dem zu identifizieren, was um uns herum geschieht. Unsere Gedanken, Gefühle, und die Rollen, die wir im Alltag einnehmen, scheinen uns zu definieren. Wir glauben oft, dass wir das sind, was wir erleben – ob es die Freude über einen Erfolg oder der Schmerz über einen Misserfolg ist. Diese Vorstellung ist tief in uns verwurzelt. Doch es gibt eine tiefere Wahrheit über uns selbst, die oft übersehen wird: Wir sind nicht das, was wir erleben, sondern das, was diese Erlebnisse überhaupt erst möglich macht – unser Bewusstsein.

Bewusstsein als Bildschirm

Stell Dir Dein Bewusstsein wie einen Bildschirm vor, auf dem verschiedene Bilder erscheinen. Diese Bilder sind Deine Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Pläne. Sie tauchen auf, verweilen eine Weile und verschwinden wieder. Einige kommen oft zurück, andere nur einmal. Doch egal, was gerade auf diesem Bildschirm gezeigt wird, der Bildschirm selbst bleibt immer unverändert. Er nimmt alles wahr, ohne von den Bildern beeinflusst zu werden. Der Bildschirm symbolisiert das Bewusstsein – die ruhige, stabile Präsenz, die alles beobachtet. Der „Hinitergrund“, der selbst nie in Erscheinung tritt.

Wir verwechseln uns mit den Bildern

Viele von uns sitzen jedoch einem tief unbewussten Trugschluss auf: Wir glauben, dass wir die „Bilder“ sind, also unsere Gedanken und Gefühle. Wenn uns positive Dinge widerfahren, fühlen wir uns gut. Wenn negative Erlebnisse auftauchen, leiden wir. Wir sind in einer ständigen Abhängigkeit von dem, was auf dem Bildschirm erscheint. Das führt zu einem unruhigen Leben, denn wir reagieren ständig auf das, was uns im Moment beschäftigt. Doch in Wirklichkeit sind wir nicht diese vorübergehenden Bilder – wir sind der Bildschirm, der sie beobachtet.

Abstand zu den Erfahrungen gewinnen

Wenn wir uns bewusst machen, dass wir nicht unsere Gedanken und Gefühle sind, können wir eine gewisse Distanz zu unseren Erfahrungen entwickeln. Das bedeutet nicht, dass wir uns von unseren Erlebnissen abkoppeln sollen. Vielmehr können wir lernen, die Gedanken und Gefühle, die auftauchen, zu beobachten, ohne uns von ihnen mitreißen zu lassen. Das gibt uns die Freiheit, nicht in den Strudel von emotionalen Reaktionen hineingezogen zu werden. Wir beginnen zu verstehen, dass wir nicht das sind, was kommt und geht, sondern der ruhige Hintergrund, der alles beobachtet.

Der scheinbare Unterschied zwischen Beobachter und Erlebtem

Zunächst kann es hilfreich sein, den Unterschied zwischen dem Bewusstsein und seinen Inhalten zu erkennen. Indem wir uns bewusst machen, dass wir nicht die flüchtigen Gedanken und Gefühle sind, sondern das Bewusstsein, das diese wahrnimmt, gewinnen wir Klarheit. Doch je tiefer wir in diese Erkenntnis eintauchen, desto deutlicher wird, dass dieser Unterschied nur eine Hilfskonstruktion ist. Denn am Ende gibt es keinen wirklichen Unterschied zwischen dem Bildschirm (dem Bewusstsein) und den Bildern (den Erfahrungen). Doch wir müssen den Weg der Unterscheidung zu Ende gehen. Nicht nur geistig, sondern auf allen Ebenen unseres Daseins. Die Erkenntnis muss zur Erfahrung aller Sinne werden, anstatt nur im (scheinbaren) Verstehen zu  verbleiben. 

Bewusstsein und Erfahrungen sind eins

Wenn wir schließlich einsehen, dass das Bewusstsein und seine Inhalte untrennbar miteinander verbunden sind, erkennen wir, dass alles, was wir erleben, ein Ausdruck unseres  Bewusstseins ist. Die Gedanken, Gefühle und Erfahrungen, die wir haben, sind nicht von uns getrennt. In dieser Erkenntnis wird deutlich, dass wir sowohl der Beobachter als auch das Beobachtete sind. Der Bildschirm und die Bilder sind nicht wirklich getrennt – sie sind Teile desselben Ganzen. Wir sind nicht nur der ruhige Beobachter, sondern auch alles, was auf dem Bildschirm unseres Bewusstseins erscheint.

Der praktische Nutzen im Alltag

Was bedeutet diese Erkenntnis für unser tägliches Leben? Sie zeigt uns, dass wir aufhören können, uns so sehr von unseren Gedanken und Gefühlen bestimmen zu lassen. Wenn wir das nächste Mal negative Gedanken haben – zum Beispiel Sorgen oder Ängste –, können wir uns daran erinnern, dass sie nur vorübergehende Erscheinungen auf dem Bildschirm unseres Bewusstseins sind. Sie kommen und gehen und haben nicht die massive Bedeutung, die sie scheinbar haben, solange wir mit ihnen identifiziert sind.  Unser wahres Selbst, das Bewusstsein, bleibt davon unberührt. Diese Erkenntnis gibt uns die Kraft, ruhiger und gelassener mit schwierigen Situationen umzugehen. Wir sind uns unseres Bewusstseins bewusst und somit werden wir nicht mehr von Erfahrungen dominiert.

Akzeptanz aller Erfahrungen

Gleichzeitig können wir lernen, alles, was wir erleben, zu akzeptieren. Denn wenn wir erkennen, dass es keinen Unterschied zwischen dem Bewusstsein und seinen Inhalten gibt, verstehen wir, dass jede Erfahrung – ob positiv oder negativ – ein Ausdruck unserer eigenen Natur ist. Wir müssen nichts ablehnen oder unterdrücken. Alles, was erscheint, darf da sein, weil untrennbar Teil des Ganzen ist. Diese Akzeptanz bringt eine tiefe innere Ruhe mit sich, da wir uns nicht länger gegen unsere eigenen Erfahrungen wehren müssen, indem wir sie zum Besseren verändern wollen, wenn sie uns nicht gefallen und uns damit in der beständigen Trennung zu uns selbst aufhalten. 

Die letzte Erkenntnis: Alles ist eins

Am Ende gibt es keinen wirklichen Unterschied zwischen dem, was wir erleben, und dem, was wir sind. Bewusstsein und seine Inhalte sind eins. Doch um zu dieser tiefen Wahrheit zu gelangen, müssen wir zuerst den Unterschied erkennen. Erst wenn wir verstanden haben, dass wir nicht unsere Gedanken und Gefühle sind, können wir die größere Wahrheit erkennen, denn sie offenbart sich von selbst: dass wir sowohl das Bewusstsein als auch der Inhalt des Bewusstseins sind. Diese Erkenntnis bringt uns die wahre Freiheit, denn es bedeutet, dass es keine Trennung gibt – alles ist eins.

In der Stille des Bewusstseins erkennen wir, dass wir sowohl die Flamme als auch das Licht sind.

 

 

 

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