Das stille Auge des Sturms -anhören
Ich weiß noch, wie ich hinter der Tür gezittert habe. Ich spürte einen tiefen, lauten, pulsierenden Schmerz und wahnsinnige Angst gleichzeitig. Im Wohnzimmer stand mein Vater gerade mit erhobenen Händen vor meiner Großmutter, die auf einem Stuhl saß und sich zusammenkrümmte. Er hatte ihren Gehstock in der rechten Hand. Sie sah zu Boden und sagte immer nur leise: „Bitte, hör damit auf!“ Ich war elf Jahre alt und gerade von seinem Geschrei aufgewacht. Mein Vater und ich sahen uns fast nur in den Ferien, wenn ich ihn in Bulgarien besuchte.
Als ich an diesem Morgen durchs Schlüsselloch spähte, sah ich ihn dort stehen. Wütend, außer sich. Seine Augäpfel wollten aus ihren Höhlen springen und er versprühte Speichel, als er mit zusammengebissenen Zähnen schimpfte. Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn so zornig sah, und jedes Mal spürte ich diese katastrophale Angst.
Er tat ihr nichts. Beruhigte sich. Aber in mir war alles in Aufruhr. Als ich hörte, dass die Tür ins Schloss fiel, rannte ich zu meiner Oma, um sie zu umarmen. Wir weinten dann beide zusammen. Schweigend. Sprachlos. Dann ging der Tag einfach weiter. Ich war noch einige Zeit sehr still, wenn mein Vater auftauchte, selbst wenn er gute Laune hatte. Es war, als könnte etwas in mir ihm nicht mehr vertrauen, und keiner verlor mehr ein Wort über das, was geschehen war …
Überwältigung und Anpassung
Die meisten Menschen kennen solche oder ähnliche Szenen aus ihrer Kindheit oder Jugend. Jedenfalls aus einem Alter, in dem man noch so offen ist, dass man von plötzlichen und unerwarteten Ereignissen den Boden unter den Füßen verliert. Es geht nicht um den Inhalt der Geschichten. Sie sind sehr unterschiedlich, aber was sie verbindet, ist die Überwältigung des gesamten Wesens. Man ist so aus der Fassung, dass sich der Schock, wie ein Stromschlag, in jede Zelle einnistet und sich dort einbrennt.
Dieser traumatische Schock bewirkt nun, dass sich die gesamte Wahrnehmung dementsprechend anpasst. Nun werden wir vorsichtig, verschließen uns ein Stück weit, fangen an zu beobachten und zu kontrollieren. Damit wir nie wieder spüren müssen, was es heißt, von all den Emotionen zutiefst getroffen zu werden, die von solchen Situationen ausgelöst werden. Nicht selten wird ein ganzes Leben von einer einzigen traumatischen Situation bestimmt. Ganz zu schweigen von jenen, die sich wiederholen und zu festen Strukturen erstarren, die einen Menschen völlig in sich selbst gefangen halten können.
Reaktionen auf psychischen Stress
Viele zerbrechen daran. Andere können diese Energien integrieren, und eine weitere Anzahl kann sie ganz hinter sich lassen. Keiner weiß, warum Menschen so unterschiedlich auf diesen psychischen Stress reagieren. Aber es wird daran liegen, dass jeder Mensch ein einzigartiges Wesen ist. Noch nie dagewesen und niemals vollständig identisch reproduzierbar. Jeder Mensch ist anderen Einflüssen ausgesetzt.
Ich habe viele derartige Situationen erlebt, die mich stark beeindruckt haben. Mein Nervenkostüm ist immer noch nervös. Ich war mit acht Jahren bei einem Psychologen, der mir eine grüne und eine orangene Pille verschrieb und mich als emotional überfordert einordnete. Die Pillen sollten mich beruhigen, damit meine Ticks zurückgingen. Mir half nur das Autogene Training, das er mir beibrachte.
Ich mochte daran, dass ich mit mir selbst experimentieren konnte. Ich verlangsamte absichtlich meinen Herzschlag und ließ verschiedene Körperteile warm oder kalt werden. Ich wurde richtig gut darin, meinen Atem zu kontrollieren, und konnte besser einschlafen. Die Tabletten warf ich irgendwann ins Klo.
Selbstheilung und innere Prozesse
Mein ganzes Leben war eine emotionale Achterbahn. Doch nichts interessierte mich mehr als der Mensch und seine Reaktionen auf das, was er erfährt. Ich lernte aus meinen eigenen Reaktionen und aus denen der Menschen um mich herum. Ich lernte aus Büchern, führte Gespräche, litt und heilte wieder und litt und heilte wieder.
Jahrzehntelang. Jeder neue Schock, jeder neue Eindruck ließ mich berührbarer werden für mich selbst. Auch wenn ich mit einem fehlenden Selbstwert zu kämpfen hatte und ich seine Ausläufer immer noch spüre. So wie ich alles immer noch in mir spüre, wovon ich mich immer trennen wollte: Zweifel, Schmerz, Scham, Schwächen, Ängste, Unsicherheiten, innerer Druck. Ich war sicher, dass alles weggehen würde, wenn ich nur verstehen würde, warum das alles da ist und wie ich damit umgehen sollte.
Ich bekam viele Ideen aus der Psychologie geliefert, die vielversprechend waren. Doch nichts half. Ich fühlte immer noch, was ich fühlte. Dann kam die Spiritualität, sie versprach auch etwas. Bleibenden Frieden, wenn ich mein Selbst erkannte. Ich erkannte mein Selbst, aber ich fühlte mich immer noch zu klein, zu eng, zu aufgewühlt. Alles Erkennen blieb im Geist hängen und kam nicht ins Erleben. Etwas Wesentliches fehlte.
Die Öffnung für das, was ist
Das, was fehlte, war eine reine Offenheit für dieses Wesen, das ich bin. Für all diese Regungen, die durch es gingen und mit denen es so sehr zu kämpfen hatte. Ich war für alles offen, nur nicht für meine Gefühle. Die waren immer zu laut, zu groß, zu intensiv, zu raumgreifend. Aber egal, was ich dagegen tat, ich wurde sie nicht los.
Es dauerte lange, bis ich wirklich erfassen konnte, was es bedeutet, mich nicht mehr gegen sie zu wehren. Etwas in mir war immer auf der Suche nach einem besseren Ort als dem, den ich in mir selbst vorfand.
Und genau das war das Problem. Aber anzuhalten und nicht mehr weiterzusuchen, bedeutete auch, aushalten zu müssen, was dann hochkam. Während einer Panikattacke ereignete es sich, dass ich mich plötzlich mittendrin beruhigen konnte, ohne dass die Angst gewichen war. Ich erlebte mich auf einmal als den Raum für die Angst, die genau so bleiben konnte, wie sie war. Ich war das „Drumherum“ um diese Angst. Was für ein enormer Unterschied zu dem Gefühl, mit Panik auf sie zu reagieren!
Der Raum für Emotionen
Das war sehr beeindruckend für mich, weil ich mich nicht von der Angst getrennt fühlte, aber auch nicht von ihr überwältigt. Und mir wurde klar, dass das mit jedem Gefühl möglich war. Ich kann so still werden, dass jedes Gefühl in mir auftauchen kann, wie es will. Als würde ich all den dunklen Wolken in mir ein Bett zum Ausruhen anbieten, öffnete ich mich nach und nach für meine Ängste und Nöte, indem ich mich auf das ausrichtete, was in mir still war.
Ich wusste fortan, dass es nichts gab, was in diesem Raum keinen Platz finden konnte. Dieses Empfinden ist wie ein Hintergrund, der immer da ist, auch wenn ich nicht auf ihn ausgerichtet bin. Ich muss gar nicht auf ihn ausgerichtet sein, weil er immer da ist. Auch ohne meine Aufmerksamkeit. Doch er ist jederzeit ansprechbar.
Es wird still in mir, wenn es emotional laut wird. So dass absolut alles gefühlt werden kann, was sich ausdrücken will. Ich frage schon lange nicht mehr, welches Gefühl woher kommt. Weil es keinen Sinn hat. Es ist egal. Wir können uns bis in alle Ewigkeit mit unseren Geschichten beschäftigen, die wir erlebt haben.
Loslassen der Kontrolle
Es wird uns nichts helfen. Nur wenn man am Anfang steht, scheint es sinnvoll zu sein, zumindest zu sondieren, was überhaupt passiert ist, wie man wirklich reagiert hat und was es ist, das man seither meidet wie der Teufel das Weihwasser. All das, was uns dennoch auf Schritt und Tritt begegnet. Jeder hat immer wieder mit seinen unterdrückten Gefühlen zu kämpfen. Sei es die Scham, die Aggression, die Schuld, der Schmerz, die Traurigkeit, die Leere usw.
Doch irgendwann war für mich nur noch das wichtig, was mir ermöglichte, mich nicht mehr gegen die schwierigen Emotionen zur Wehr zu setzen. Ja, ich wurde wieder überwältigt von Gefühlen, und ja, es kann jederzeit wieder geschehen. Ich habe nichts in der Hand. Es geht nicht um Kontrolle. Es geht darum, dass da etwas ist, das alles auffangen kann, das alles unverzerrt in sich aufnehmen und dasein lassen kann. Ich habe irgendwann angefangen, es das Innerste zu nennen, weil es sich so aus mir selbst herauskommend anfühlt.
Als hätte ich ein inneres Zentrum, das aber keine Grenzen hat. Ich fühle keine Grenzen in mir. Selbst wenn ich Widerstände spüre, gegen was auch immer, sind die Widerstände so rein sie selbst, dass sie einfach nur durch mich hindurchziehen. Da bleibt nichts hängen. Alles dauert seine gewisse Zeit, dann ist der Himmel wieder frei. Bis zu den nächsten Wolken, die vorbeiziehen.
Die Natur des Lebens und der Gefühle
Und so ist der Lauf des Lebens, so ist diese Erfahrung hier als Mensch. Wir erleben jedes erdenkliche Wetter im Innen und im Außen. Jede Beschwerde ist schon der Ausdruck einer Trennung von dem, was sich zeigt. Es geht darum, sich auf alles einzulassen, wie es sich zeigt. Unverzerrt. Offen. Empfangend. Es kann nichts passieren, weil das Empfangende keine Grenzen hat. Es ist für absolut jede Regung offen. Und wie könnte man dies als etwas anderes bezeichnen als: Liebe?
Ich erlebe viele Gefühle und eine hohe Intensität in mir. Der wahre Frieden liegt darin, damit nicht mehr zu kämpfen, selbst wenn ein Kampf geschieht. Ich bin die Durchgangsstation für das ganze Theater, das sich in mir aufführen will. Und sie dürfen alle auftreten. Es hat keinen Sinn, die Tür zu verschließen, denn ich schließe sie vor mir selbst. In Wirklichkeit tut das weh, und nicht der eigentliche Schmerz oder die eigentliche Angst. Es ist die Trennung, die weh tut.
Die Öffnung für alle Energien, die mich besuchen, lässt mich auf das Offensein ausgerichtet sein. Und hier kann ich aus erster Hand bestätigen, dass es mitten im Sturm ein stilles Auge gibt, das sich wie ein Tor in unsere unsagbare Ursprünglichkeit öffnet. Darin verbrennt jede heftige Energie rückstandslos, solange sie brennen darf und nicht durch Ignoranz und Abwehr erstickt wird, um woanders in den Ausdruck zu finden. Vielleicht als Tick, vielleicht als Gewalt gegen sich selbst und andere oder auch als Krankheit. Dieses offene Zentrum ist der Entstehungsort dieses Lebens, das genau so reich, voll und nah ist, wie wir in der Lage sind, es rückhaltlos zu empfangen.
Danke für diesen sehr persönlichen Einblick! Und ja, es hat eine ganz andere Qualität, wenn du so von dir erzählst!
P.S. kleiner technischer Hinweis: Der Link zur Buchung eines Gesprächs funktioniert zumindest von meinem Androidphone nicht.
Danke für Deinen Eindruck, Frank! Schreib mir gerne über das Kontaktformular, dann machen wir was aus, sobald Du magst. Ich nehme den Link sowieso wieder raus. Hab festgestellt dass ich das nicht über Digistore abrechnen mag. LG Nicole
Liebe Nicole, ich höre deinen Text gerade an und bin tief berührt. Von dem, was Du erzählst von Dir und genau so tief von dem Weg, den Du zurückgelegt hast und von der Ausdauer und Beharrlichkeit, die Dich diesen Weg haben gehen und schliesslich herausfinden lassen, wie Du Dich in Dir selbst beheimatest 🙂
Das mag ich Dir einfach gerne hierlassen.
Herzlich, Katrin
Liebe Katrin, “ …und schliesslich herausfinden lassen, wie Du Dich in Dir selbst beheimatest.“ Das hast Du echt schön ausgedrückt! Danke! Ganz herzliche Grüße an Dich! Nicole
Liebe Nicole,
danke für das Teilen deines Weges … da hab‘ ich oft mit dem Kopf genickt und gelächelt. :o)
Mein Motto seit Juni diesen Jahres: „Ich nehme, was das Leben mir gibt.“
Das ist ähnlich dem, was du beschreibst … es „knackt“ den (unflexiblen, harten) Widerstand, macht ihn durchlässig für so viel … SO VIEL mehr Freiheit und Bewegung. Und dann … dann geschehen die Wunder. ♥
Schön wieder von Dir zu lesen, Valentina! Und von Deiner Gelassen-heit. 🙂
LG Nicole
Wenn die Stille so laut ist, …
… dreh das Radio an, – so sagte meine Mutter.
Liebe Nicole,
ich bin froh, dass ich diese Gefühle und den ganzen Prozess, mit anderem Thema, mit Dir teilen kann. <3
Gerade ist es wieder unruhig, Herzklopfen.
DANKE für Dein Mit-Teilen, vielleicht traue ich mich auch mal, später. Du machst mir Mut.
Liebe Sabine, da hattest Du eine frühe Schule im Überhören Deiner selbst …
Und ja … ich dachte mir schon beim Lesen – Darüber muss sie mal schreiben.
Vielleicht passiert es ja wirklich, wenn Du Dich traust. Es ist es wert. :-*
Liebe Nicole,
das Auge des Sturms, ja das habe ich auch schon erlebt. Ich dachte, danach sei alles gut und dann kamen wieder neue Situationen. Ich glaubte diese Stille kontrollieren zu müssen, oder besser, sie festhalten, zu müssen, weil sie mir wieder verloren gehen könnte.
Dabei habe ich die Stille, die immer da ist, übersehen, ich glaubte sie wieder verloren zu haben.
Dass das gar nicht geht, ist mir erst jetzt bewusst geworden. Es war diese Verlustangst, die mich wieder fortgerissen hat.
In mir, kann ich nicht verloren gehen.
Danke, für dieses ergreifende Mitteilen, deiner Wahrnehmung.
Hab deinen Beitrag heute noch mal gehört, nachdem ich ihn gestern gelesen habe und er gibt mir einfach ganz viel Hoffnung und liegt fern ab von einer Wahrheit, die niemand hören will.
Hab ihn gleich mal mit meiner Frau geteilt und sie ist auch ganz berührt.
Danke!!!
Das freut mich, Frank! Wie schön! 🙂
Was für ein schöner Kommentar, Christine! Ich fühl mich beschenkt! 🙂 LG Nicole
Liebe Nicole, manchmal frage ich mich, ob es sich einem – wie Dir – zufällig und nachhaltig offenbart und dann „weißt“ Du auf einer Ebene, die fern von Verstehen ist. Für mich ist es mit dem Verstand nachvollziehbar, was Du sprichst. Und ich hatte schon Erlebnisse, in denen sich die Wut von der Geschichte trennte und eine immense Kraft übrig blieb. Ich fragte mich damals, warum ich jemals die Wut weghaben wollte. So bei der Traurigkeit, die ohne Geschichte eine unfassbar sanfte Berührung war. Es geschah einfach so. Aber es wiederholte sich leider nicht. So auch andere Blizzerfahrungen, in denen ich einfach mit allem in Akzeptanz war und mich verbunden fühlte. Oder wenn ich in der Angst bin und meinen Atem spüre, so auch mein Gewicht auf den Füßen, das Mutter Erde trägt. Dann ist die Angst oder welcher Gedanke/welches Gefühl auch immer obsolet… all das hat dann keinen Bestand mehr. So weit so gut. Fakt ist, irgendwie weiß ich, und doch will wieder jemand Handlungsanweisungen, damit meine Gedanken und Gefühle einfach sein dürfen. Zumeist lasse ich mich noch von ihnen „ins Bockshorn jagen“ und will sie einfach nur weghaben… Und ja, Deine Beiträge sind wertvoll für mich, danke, und auch mit Sehnsucht versehen, da ich auch endlich dauerhaft mit mir und mit der Umwelt verbunden leben möchte.
Danke für Dich,
Ruth
Liebe Ruth! Was für eine große und schöne Frage! Da sie sich nicht so einfach mit
Ja oder Nein beantworten lässt sie für das Kommentarfeld hier zu komplex ist,
werde ich am Sonntag im nächsten Blogartikel darüber schreiben. Danke für die Frage!
Ich freu mich schon drauf! LG Nicole
Liebe Nicole, danke, ich freue mich auf Deinen Blogartikel! Alles Lichtvolle, Ruth
Liebe Ruth,
ich gehe mit deiner Frage nach der Dauerhaftigkeit in Resonanz – weil ich sie mir in meinem Leben auch sehr oft gestellt habe – und möchte gerne meinen Impuls da lassen:
Das Leben ist Bewegung … das einzige, was wirklich dauerhaft ist, ist die Veränderung. Hast du jemals eine immerwährend blühende Blume gesehen? Oder ein ganzes Jahr die selbe Jahreszeit … das selbe Wetter? …
Ich für mich glaube inzwischen (und ich bin erst kürzlich 60 geworden), dass es um dauerhafte Hingabe an das Nicht-Dauerhafte geht – sozusagen.
Und ich bin sehr gespannt auf Nicoles Antwort. :o)
Alles Liebe dir …
Danke, liebe Valentina, und ja, in meinen Worten verstehe ich Deinen Hinweis, dass alles in Bewegung ist. Ja, da gehe ich mit. Mein Thema ist, diese „Bewegungen“ von „dort aus“ zu erleben, wo sie als das erkannt und erlebt werden, was sie „wirklich“ sind. Nicht ich bin, sondern ich habe beispielsweise Gedanken. Ich bin nicht krank, sondern habe Symptome. Das erkenne ich, wenn ich mit mir und mit mir in der Umwelt verbunden bin. Dann ist alles, wie es ist. Keine Bedrohung, kein agitiertes „Weg-von“, es ist. Doch zumeist fühle ich mich nicht, habe sogar Angst davor und bin dann in dieser wilden, blinden Funktionalität, die so unfassbar anstrengend ist. Mein Wunsch ist es, immer mit mir und der Umwelt verbunden zu sein und von „dort aus“ alles zu erleben. In Verbindung, nicht getrennt. Und ja, liebe Nicole, die Getrenntheit schmerzt&verkompliziert und verlangt nach schützender Kontrolle. Das Verbundensein braucht das alles nicht. Es hat „dort“ einfach keinen Bestand.
Danke für Euch,
Ruth
Liebe Ruth,
ich verstehe, was du schreibst und ich verstehe nicht, warum diese Verbundenheit als Ausnahme/Gegenpart zum Bewegtsein gestellt wird – außer, dass du Angst vor Trennung hast. Ist es das?
Für mich gilt: Auch die Verbundenheit IST in Bewegung … das ist das, was ich im Kern sagen wollte. In dem Moment, wo ich das so annehmen kann, fällt der größte Teil des Stress/Widerstands weg. Dann darf ich einer Sache, einem Menschen, einer Seinsebene … verschieden nah sein und muss nicht davor erschrecken, weil es sich ja auch wieder verändert. Dann verändert sich die Haltung demgegenüber von der Angst zum Staunen oder Forschen.
Ich bin wirklich gespannt, was Nicole dazu schreibt …
Alles Liebe dir!
Spannender Austausch Ruth und Valentina! Schön! 🙂 Und Nicole ist auch gespannt, was Nicole dazu sagen wird! 😉
Liebe Valentina,
vielleicht „hakt“ es genau dort bei mir. Ja, ich erlebe Angst in der Getrenntheit. Große. Und ich bemerke, dass in Verbundenheit alles ist, wie es ist. Ob bewegt oder nicht. Ohne Widerstand, ohne Angst. Es hat dort keinen Bestand. Im Getrenntsein oder -fühlen ist dort zumindest bei mir noch viel Widerstand. Daher der Wunsch des immer Verbundenseins und -fühlens. Und da weiß ich nicht, wie ich das „erreichen“ kann. Und daher entsteht das Sehnen.
Lichtgruß,
Ruth
ok … ich fang‘ mal einen neuen Kommentarfaden an:
Liebe Ruth,
zu deiner letzten Nachricht zum Thema Angst in Getrenntheit … ist mir SOFORT durch den Kopf gegangen (ich nenn‘ das intuitives FühlDenken): das ist was sehr FRÜHES. Kann sein frühe Kindheit, kann auch schon Geburt oder Vorgeburtlich sein.
Dafür gibt es ein wunderbares Aufstellungsformat, das LebensIntegrationsProzess (L.I.P.) heißt. Dort gehst du selbst (keine Stellvertretung) in Kontakt mit den verschiedenen Lebensphasen (Stellvertreter) … du nimmst also Kontakt zu dir selbst auf, schaust nach, was da los war und bringst so ein Thema in Bewegung, Sichtbarkeit, Lösung und damit in Frieden.
Ich hab‘ das selbst erlebt, bei mir ging es um die Angst meiner Mutter während sie mit mir schwanger war. Und ich kann sagen, dass eine in mir ständig flirrende, eskalationsbereite Angstebene (durch die C-Zeit enorm aktiviert) dadurch wirklich zur Ruhe kam. Seitdem (Herbst 2022) geht es endlich wieder vorwärts in meinem Leben.
Meine Lieblingsaufstellerin dazu ist Bianca Schorn (hat ’ne Webseite) – mütterlich liebevoll, warmherzig, intuitiv. Aber es gibt bestimmt auch andere gute, wenn die Gegend nicht passt – falls das überhaupt eine Option für dich wäre. Ich kann’s von ganzem Herzen empfehlen.
Danke Nicole, ja… 🙏❣️
Dazu hab‘ ich ganz spontan sofort eine Idee, einen Impuls, der meiner Meinung nach fundamental erleichternd sein könnte … eine praktisch-„therapeutische“ … ich weiß nur gerade nicht, ob ich die hier anmerken darf. Ruth? Nicole?
ups … falsche Zeile erwischt … war für die Korrespondenz mit Ruth gedacht.
Also wenn mein Impuls erwünscht ist, bitte Bescheid geben.
Valentina, leg los! 😀 LG Nicole
p.s. Im Kontakt geht es auch wesentlich um Würdigung dessen, was ich selbst geleistet/geschafft habe in der entsprechend schwierigen Situation, die sich zeigt.
(mal sehen, wo das jetzt auftaucht …)
Liebe Nicole, ich erlebe es ähnlich wie Ruth, ich kann verstehen was Du beschreibst, allerdings erinnere ich mich in „anstrengenden“ Momenten oft an gar nichts mehr, was ich zuvor von Dir gehört habe. Mir hilft es schon länger mein Welterleben als Spiel zu sehen, gleichzeitig mit dem inneren Wissen, dass alles genau so passiert wie es passieren soll. Somit gibt es keine Dramen, keine Täter, keine Opfer, nie hat jemand Schuld an irgendwas.
Bewusstsein spielt alle möglichen Rollen. Alles ist Vielfalt. Und sehr wahrscheinlich ist
in Wirklichkeit nie etwas passiert.
Liebe Valentina, ja, die Würdigung des Geschehens, ist sehr essenziell, wenn man im Nachhinein die Situation betrachtet. Das was sich aus diesem Konflikt an Qualitäten und Fähigkeiten entwickelt hat, ist die Würdigung und gleichzeitig das erkennen der Starken, die sich erst dadurch ausgeprägt haben. Hier kann auch Dankbarkeit und Selbstverständnisses erwachsen. Die Perspektiven weiten sich über das Problem hinaus und es werden tiefe Einsicht des menschlichen Spektrums offenbar.
ja … genau!
Vielen lieben Dank, Andrea, für Deine schönen Worte! Es freut mich sehr, dass meine Gedanken Dich auf dieser tiefen Ebene berührt haben. Es ist so wertvoll zu hören, dass die Wahrheit für Dich genau zur richtigen Zeit kam. Herzlichen Dank für Dein Feedback! LG Nicole