Solange Du den Frieden willst - herrscht Krieg - anhören

von Nicole Paskow

 

Seit 2015 bin ich intensiv auf dem Pfad der Selbsterkenntnis. Ich habe mit vielen spirituellen Lehrern gesprochen, viel darüber geschrieben und mich in meinen Texten reflektiert. Was ich dabei erkannt habe, ist, dass das Leben mich dazu gebracht hat, alles, was in meinem Geist auftaucht, direkt zu erfahren – nicht nur zu verstehen, sondern mit allen Sinnen zu durchleben.

Gibt es als Endergebnis dieser wahnwitzigen Reise nun einen andauernden Zustand des inneren Friedens, so wie viele Gurus und spirituelle Lehrer es versprechen, wenn die finale Erleuchtung eintritt? Definitiv nicht.

Natürlich könnten jetzt einige sagen: „Na, dann ist sie eben noch nicht erleuchtet!“

Das entlockt mir nur ein müdes Lächeln, denn diese ewige Suche nach Frieden und Glück erschöpft mehr, als man sich vorstellen kann. Wir streben nach einem Zustand des dauerhaften Glücks, einem Zustand, der uns in einem schwebenden Gefühl der Entspannung halten soll, egal was im Leben geschieht. Eine Beständigkeit in der Akzeptanz aller Dinge, die uns widerfahren. Und das ist es, wonach sich ein spirituell Suchender am meisten sehnt – die ewige Karotte, die immer außer Reichweite bleibt.

Die Suche loslasssen

Für mich dauerte es bis Karl Renz, um diese hartnäckige Suche loszulassen. Und ich verstehe die Dankbarkeit aller Suchenden, wenn da einer kommt, dem sie glauben können, dass es zu Ende ist, sobald sie damit aufhören zu glauben, dass es ein Finden gibt. Denn es stimmt: Wenn keiner sucht, gibt es nichts zu finden. Es gibt dann noch nicht mal die Suche. Und wenn einer sucht, bestätigt er immer nur die Suche selbst ohne je zu finden, was er sucht, weil er sich selbst immer übersieht.

Die grauenhafte Idee eines endgültigen Friedens, einer ewigen Verbundenheit und Liebe verblasste schließlich. Ich habe Frieden mit mir geschlossen – mit der Person, die immer glaubt, dass es nicht reicht. Die nie weiß, ob das, was sie tut, jemanden interessiert. Die ständig zweifelt und mir mit ihrer Unausgeglichenheit oft auf die Nerven geht. Ich habe Frieden mit all den Wünschen geschlossen, die ständig kommen. Wünsche, die mit der Sehnsucht verbunden sind, dass keine neuen Wünsche mehr auftauchen sollten. Denn sonst, so glaube ich, stecke ich ja immer noch in meinen alten Mustern fest und habe wieder versagt.

Was für ein herrliches Aufatmen es war, als ich erkannte, dass es in Ordnung ist, wütend zu werden, zu weinen, mich allein zu fühlen oder einfach alles hinschmeißen zu wollen. Ich bin im Frieden damit, dass ich mal genervt bin, mal kämpfe, jemanden nicht leiden kann oder mich nach Frieden sehne.

Kein Problem mehr mit dem was ist

Etwas in mir ist verschwunden: Diese Instanz, die ein Problem mit meinen Erlebnissen hatte und sie verändern wollte, ist nicht mehr da. Das ist das Einzige, das passiert ist: Hier gibt es kein Problem mehr mit dem, was ist. (Was ich als meine Gefühle und Empfindungen wahrnehme) Wenn Wut ist, ist es nicht friedlich. Dann ist Wut da. Fertig.

Aber das darf man dem Verstand nicht sagen, denn der kommt sofort ins Grübeln, denn aus diesen Zuständen will er ja raus! Wut ist nicht gut! Dann könnte ja jeder weiter machen mit der Gewalt. Der Unterschied ist, dass es keine Gewalt mehr gibt, wenn es keinen Widerstand mehr gibt gegen das, was wirklich gefühlt wird.

Gewalt ist die Frucht einer riesigen Distanz zum Gefühl der Schwäche. Karl Renz spricht vom Besitzer des Lebens, der für ihn verschwunden war. Ich spreche vom Widerstand gegen die Empfindungen des Lebens, der verschwunden ist. Es ist das Gleiche. So spricht jeder aus der Perspektive, die ihm gegeben ist.

Der Wandel des Lebens

Wir machen immer Erfahrungen. Und diese Erfahrungen sind in beständiger Bewegung, in einem ständigen Wandel. Jetzt schreibe ich, später gehe ich ins Bett, dann stehe ich auf und mache Frühstück. Währenddessen fühle ich tausend Dinge, weil ich ein emotionaler Wahrnehmungstyp bin. Andere denken tausend Gedanken, wieder andere spüren tausend Körperempfindungen. Es gibt keinen einheitlichen Zustand in der Erfahrung – unmöglich.

Und doch gibt es diese Instanz, die alles auf sich selbst bezieht. Sie hält alles in einer Umlaufbahn, die wir „Ich“ nennen. Das ist ein natürliches Erleben, in dem Urteile, Probleme und Gefühle aufkommen.

Das Verrückte ist: Solange ich versuche, mich selbst zu ändern oder loszuwerden, werde ich Krieg gegen mich selbst führen. Ich werde immer in der Illusion gefangen sein, dass ich mich zu einer besseren Version verändern kann, die mir mehr gefällt, weil ich mich dann endlich besser mit mir fühlen werde. Das ist die unerreichbare Karotte, der ich ewig nachjage.

Ich werde mich nicht los

Was ich erkannt habe, ist: Ich werde mich nicht los. Und in dem Moment, als mir das klar wurde, musste ich mich auch nicht mehr loswerden. Ich war mich los als Problem.

Wenn klar wird, dass es unmöglich ist, den inneren Frieden als dauerhafte Erfahrung zu erreichen, herrscht Frieden. Der Frieden, der immer da war und immer da sein wird.

Du wirst Dich in diesem Leben mal gut fühlen und mal schlecht. Manchmal sogar ekstatisch, und dann wieder ganz unten im Keller. Es kommt darauf an, was passiert und was die Reaktionen darauf sind. Wir wissen nie, was das Leben für uns bereithält. Das Leben überrascht uns bis zum Schluss. Und wir werden bis zum Schluss Erfahrungen machen – mal solche, mal andere. Das ist das Leben. Leben heißt Wahrnehmen. Und das, was wir wahrnehmen, ist immer im Wandel.

Nur die Hälfte der Wahrheit

Das, worüber die meisten Gurus sprechen (was nur eine Hälfte der Wahrheit ist), ist nicht der Frieden als Erfahrung, sondern das Bewusstsein selbst. Du bist der Spiegel, der einfach nur da ist. Aber der Spiegel existiert nicht ohne das Spiegelbild. Du bist nicht nur das reine Gewahrsein.

Du bist auch das, was im Gewahrsein erscheint.

Wenn wir diese Sichtweise zu Ende denken, sehen wir, dass alles, was in diesem Bewusstsein erscheint, aus dem Bewusstsein selbst besteht. Es zeigt sich als bewegte Bilder, als Gedanken, Gefühle, Probleme und Zweifel. Das Absolute und das Relative SIND eins. Sie sehen in der Erfahrung nur anders aus.

Der Spiegel des Bewusstseins

Der Frieden, der wir sind, zeigt sich in allem – in jedem Gefühl, jedem Gedanken, jeder Erfahrung. Er zeigt sich sogar im Hadern und Zweifeln.
Der Spiegel zeigt sich selbst im Spiegelbild. Du bist schon Du selbst, egal, was Du tust, um noch mehr Du selbst zu sein.

Wenn Du leidest, leide! Wenn Du zweifelst, zweifle! Wenn Du es nicht aushältst, dann halte es nicht aus! Denn der Versuch, aus diesem Zustand zu entkommen, ist das einzige Leid, das es wirklich gibt. Es ist dieses grundlegende Leid, das Kriege anzettelt, Gewalt sät und dazu führt, dass wir unehrlich mit uns selbst und anderen umgehen.

Es ist egal, was Du tust. Du wirst immer erleben, dass es mal bessere und mal schlechtere Momente gibt. Und solange Du das nicht mit Herz und Geist durchdringst, wirst Du weiter auf der Suche sein und gegen Deine inneren Wände rennen, in der Hoffnung dadurch den Durchbruch in die Freiheit zu erreichen.

Das Ende der Suche

Doch wenn diese Wahrheit klar wird, hört die Suche auf: Nichts muss sich verändern, wenn alles in Dir so sein darf, wie es ist. Dann gibt es keinen Widersacher mehr in Dir, und Du erlebst einfach – was auch immer ist, SO wie es ist. Wut, Angst, Schmerz, sind einfach Energien, wenn sie ohne Widerstand erlebt werden.

Zerstörerisch macht sie nur die Abwehr, denn sie lädt die Wut erst mit Ladung auf. Eine leere Wut ist eine solche, die Dich wie ein Gewitter durchfährt. Ein Naturphänomen. Sie tritt ein und wieder aus. Und niemand hat etwas dagegen.

Dieses Fehlen des Widerstands macht Dein Einssein sichtbar, enthebt Dich aber nicht der Wahrnehmung der Gedanken und Gefühle. Es ist nur eine andere Art der Wahrnehmung, die sich einstellt. Eine andere Erfahrung. Nicht besser, nicht schlechter. Nur anders. Aber Erfahrungen machen wir solange wir atmen.

Das ist, so gesehen, die größte Störung des Friedens, die es gibt: Die Erfahrung selbst. Andererseits kennt der Frieden, der wir sind überhaupt keine Störung, weil er sich selbst nicht kennt. Er erfährt sich als die Möglichkeit alles zu erfahren, was in sein Sichtfeld tritt. Im Leben tanzen wir in Kreisen um ums selbst herum. Bis in alle Ewigkeit. Und das ist immer so, wie es gerade erfahren wird. Darin liegt unendlicher Frieden.

 

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