Aus dem Traum erwachen- anhören

von Nicole Paskow

 

Das Leben erscheint uns oft wie eine solide Realität – greifbar, bedeutungsvoll und manchmal überwältigend. Unsere Probleme scheinen massiv, unüberwindbar, und unsere Gefühle halten uns gefangen in einem Netz von Sorgen, Hoffnungen und Ängsten. Wir kämpfen, versuchen zu kontrollieren, festzuhalten oder loszulassen, weil wir glauben, dass wir das Leben irgendwie meistern oder ihm entkommen müssen. Doch was, wenn all das, was wir Leben nennen, nur ein Traum ist? Ein Traum, aus dem wir eines Tages erwachen werden?

Wenn wir sterben, könnte es sein, dass wir das Leben plötzlich aus einer völlig neuen Klarheit heraus erkennen – ähnlich wie beim Aufwachen aus einem nächtlichen Traum. In diesem Moment, so scheint es mir, erkennen wir, dass all das, was wir für so wichtig hielten, nicht mehr dieselbe Bedeutung hat. Wir realisieren, dass das Leben ein ständiges Kommen und Gehen von Eindrücken, Zuständen und Erfahrungen war, die letztlich alle vorübergegangen sind. Und in diesem Erwachen wird deutlich: Es gibt nichts zu bedauern, nichts festzuhalten. Alles war immer nur ein Ausdruck von Bewusstsein, das sich selbst erfahren hat.

Gefangen in unseren Gefühlen

Warum empfinden wir unsere Probleme als so massiv? Weil wir in unseren Gefühlen gefangen sind. Unsere Emotionen nehmen uns ein, machen uns blind für die größere Perspektive. Ein Moment der Trauer fühlt sich an wie ein ewiger Zustand. Ein Moment der Freude wird zur Angst, weil wir befürchten, ihn zu verlieren. Wir bewegen uns zwischen diesen Polen und verlieren den Kontakt zu der Wahrheit, dass all das – das Gute wie das Schlechte – letztlich nur vorübergehende Zustände sind.

Wenn wir uns bewusst machen, dass jeder Eindruck, egal wie intensiv, eines Tages restlos vergeht, öffnet sich eine neue Perspektive. Nichts bleibt. Weder die Freude noch das Leid. Alles ist ein Kommen und Gehen. Diese Einsicht kann uns helfen, das Festhalten loszulassen – an Momenten, an Menschen, an Gefühlen. Und paradoxerweise erlaubt uns genau dieses Loslassen, das Leben direkter und intensiver zu erfahren.

Die Freiheit des Nicht-Festhaltens

Was bedeutet es, nicht festzuhalten? Es bedeutet nicht, sich vom Leben zu distanzieren oder sich von seinen Erfahrungen abzuwenden. Im Gegenteil: Es bedeutet, mitten im Leben zu stehen, ohne von ihm verschlungen zu werden. Wenn wir nicht versuchen, an der Freude festzuhalten oder das Leid zu vermeiden, entsteht eine Freiheit, die uns erlaubt, die Dinge zu erleben, wie sie sind.

Schönheit kann uns dann vollkommen durchdringen, ohne dass wir uns vor ihrem Verlust fürchten müssen. Und das Schwere, das Schmerzvolle können wir gelassener durchleben, weil wir wissen, dass auch das vorübergehen wird. Diese Haltung der Gelassenheit entsteht nicht aus Gleichgültigkeit, sondern aus einer tiefen Erfahrung der Vergänglichkeit aller Dinge. Sie lehrt uns, uns selbst treu zu bleiben, ohne etwas zu erzwingen oder zurückzuhalten. Was geschieht, geschieht – und das ist der direkte Ausdruck dessen, was sein soll, im Einklang mit den aktuellen Energien dieses Augenblicks.

Das Feuer des Lebens

Sich auf das Leben einzulassen, bedeutet, mitten im Feuer zu stehen. Dieses Feuer kann uns verbrennen, es kann schmerzen, es kann uns alles nehmen, was wir zu sein glauben. Doch wenn wir uns diesem Feuer hingeben, erkennen wir, dass das, was wir in absoluter Wahrhaftigkeit sind, nicht verbrennen kann. Denn es war nie Teil dessen, was entsteht und vergeht.

Das Leben ist wie ein Traum, der uns einlädt, uns ihm völlig hinzugeben. Wir durchleben Freude und Schmerz, Hoffnung und Enttäuschung, Liebe und Verlust – alles im Bewusstsein, dass nichts davon bleibt. Wenn wir dies erkennen, verlieren die Geschichten, die wir uns über unser Leben erzählen, ihre Schwere. Wir erkennen, dass wir nicht die Hauptfigur in einem Drama sind, sondern das Bewusstsein, das dieses Drama träumt.

Der Moment des Erwachens

Was geschieht, wenn wir sterben? Vielleicht wachen wir auf, wie wir morgens aus einem Traum erwachen. In diesem Moment wird klar, dass alles, was wir erlebt haben, nur ein vorübergehender Zustand war. Die Probleme, die uns unüberwindbar erschienen, lösen sich auf. Die Gefühle, die uns gefangen hielten, verlieren ihre Macht. Was bleibt, ist ein tiefes Wissen um die Realität, die jenseits des Traumes liegt.

Doch auch das ist nicht das Ende. Was nach dem Tod folgt, ist vermutlich ein neuer Zustand, eine neue Erfahrung, die sich uns in ihrer vollen Bedeutung offenbart – nur, um eines Tages wieder zu vergehen. Denn alles, was kommt, kommt, um zu gehen.

Die Lektion der Vergänglichkeit

Das Leben lehrt uns, dass nichts bleibt. Jeder Moment, egal wie schön oder schwer, ist vergänglich. Diese Einsicht kann uns befreien, denn sie nimmt uns die Illusion, dass wir etwas kontrollieren oder festhalten müssen. Sie erlaubt uns, das Leben so zu leben, wie es ist.

Wenn wir dies wirklich verstehen, können wir uns dem Leben vollkommen hingeben. Wir können mitten im Feuer stehen und wissen, dass wir nicht verbrennen. Wir können das Schöne genießen, ohne es zu besitzen, und das Schwere durchleben, ohne daran zu zerbrechen. Und wenn der Moment kommt, in dem wir sterben, können wir loslassen, weil wir wissen, dass wir nichts verlieren. Denn das, was wir in Wahrheit sind, war nie Teil des Traums.

Die Bedeutung des Traums

Warum träumen wir überhaupt diesen Traum des Lebens? Vielleicht, um uns selbst zu erfahren. Um zu erkennen, dass wir nicht die Eindrücke, die Zustände, die Geschichten sind, die in uns auftauchen. Wir sind das Bewusstsein, in dem all das geschieht. Und dieses Bewusstsein ist unvergänglich, ewig, frei.

Wenn wir dies erkennen, verliert das Leben, wie wir es bisher kannten, seine Bedeutung. Nicht, weil es wertlos wäre, sondern weil es nur ein Ausdruck von etwas Größerem war. Und in diesem Erwachen aus dem Traum wird klar, dass wir nichts festhalten müssen, weil wir selbst das sind, worin alles geschieht.

Am Ende bleibt das Sein

Das Leben ist ein Kommen und Gehen, ein ständiger Fluss von Erfahrungen, der uns einlädt, uns ihm hinzugeben. Und wenn der Moment kommt, in dem wir aus diesem Traum erwachen, erkennen wir, dass wir nie etwas anderes waren als das, was immer ist: reines Bewusstsein.

Der Tod ist nicht das Ende, sondern ein Übergang – ein Erwachen zu einer neuen Realität, die uns erneut einlädt, sie zu erfahren, bis auch sie vorübergeht. Und so setzt sich der Tanz fort, bis wir schließlich erkennen, dass wir selbst der Tanz sind, der niemals endet.

 

 

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