Warum uns die Sprache für unser eigenes System fehlt - anhören

von Nicole Paskow

Wenn wir uns erlauben, den Geist als ein Betriebssystem zu sehen, dann taucht sehr schnell eine überraschende Frage auf: Warum können wir mit Computern präziser kommunizieren als mit uns selbst? Wir übermitteln Maschinen klare Befehle, eindeutige Signale, wohldefinierte Prozesse. Wir sagen ihnen, was sie tun sollen, und sie tun es. Kein Widerstand, kein Interpretieren, kein innerer Dialog. Eine Anfrage, ein Befehl, eine Antwort.

Unser eigener innerer Umgang dagegen ist das Gegenteil. Wir sprechen mit Geschichten. Wir reden in Bildern, in Befürchtungen, in Erinnerungen, in Vergleichen. Wir versuchen uns zu beruhigen, zu motivieren, zu überlisten, indem wir uns die Gründe erklären, warum etwas anders sein sollte als es ist. Und wir übersehen dabei etwas Entscheidendes: Der Geist versteht keine Geschichten. Er reagiert auf Prioritäten. Er folgt nicht der Handlungsebene unseres Denkens, sondern den Signalen, die im Hintergrund gesetzt wurden – oft lange bevor wir bewusst reagieren können.

Das ist der Grund, warum Einsicht allein so selten zu Veränderung führt. Wir können genau wissen, was wir tun, und dennoch unfähig sein, anders zu handeln. Wir können ein Muster durchschauen und gleichzeitig in ihm feststecken. Wir können uns vornehmen, ruhig zu bleiben, und spüren trotzdem, wie der Körper schneller ist als unser Wille. Denn es ist nicht der Inhalt, der entscheidet, sondern die Priorität, die dieser Inhalt im System besitzt. Eine alte Information hat mehr Gewicht als jede neue Erkenntnis.

Der fehlende Zugriff auf die Ebene, die wirklich steuert

Ab einem gewissen Punkt wird deutlich, dass es nicht an uns liegt, nicht an mangelnder Disziplin, nicht an Schwäche oder Charakter. Es liegt an einer fehlenden Sprachebene. Wir kommunizieren mit uns selbst auf einer Ebene, die das System nicht versteht. Wir schicken Geschichten an eine Instanz, die nur Signale verarbeiten kann. Alles, was darunter liegt – Stressreaktion, Reflex, Schutzmechanismus – arbeitet unabhängig davon weiter. Der Verstand dient der Erklärung, nicht der Steuerung.

Je mehr ich mit Menschen gesprochen habe, desto klarer wurde dieser Punkt. Jeder erkennt den Moment, in dem etwas anspringt. Jeder spürt, wie ein Reiz durch das System geht und eine Reaktion auslöst, die größer ist als das, was gerade passiert. Doch genau dort fehlen die Worte. Uns fehlt eine Sprache, die in diesen Bereich überhaupt eindringen kann. Die psychologischen Ansätze, die wir kennen, arbeiten mit Inhalten; sie versuchen, Bedeutung neu zu setzen oder Interpretationen zu verändern. Doch der Bereich, in dem Prioritäten entstehen, liegt tiefer. Er liegt in der stillen Funktionsweise des Systems.

Es ist wie ein Computer, der plötzlich einfriert, weil ein Prozess im Hintergrund blockiert. Wir sehen den Bildschirm, aber nicht den Befehl, der den Absturz ausgelöst hat. Und egal wie sehr wir auf die Oberfläche einreden, sie reagiert nicht. Nicht, weil sie nicht will: der Punkt ist, dass wir die Ebene nicht treffen, auf der die Störung entstanden ist. Genau so verhält sich das Nervensystem. Es reagiert auf Signale. Es reagiert auf unmittelbare Information, nicht auf Deutungen.

 Die Suche nach einer Sprache, die das System wirklich erreicht

Wenn wir das ernst nehmen, entsteht daraus fast automatisch die nächste Frage: Was wäre, wenn es eine Sprache gäbe, die direkt auf dieser Ebene wirkt? Eine Sprache, die nicht versucht, die Geschichte zu verändern, sondern die Priorität zu verschieben, die die Geschichte erst möglich macht? Eine Sprache, die nicht den Verstand einbezieht, sondern die Ordnung, nach der das System seine Entscheidungen trifft?

Je weiter ich forschte, je mehr ich mich selbst beobachtete, desto klarer wurde mir: Die Lücke ist nicht in uns. Die Lücke ist in der Art, wie wir mit uns kommunizieren. Wir haben nie gelernt, das System dort anzusprechen, wo es überhaupt empfänglich ist. Wir haben Methoden entwickelt, die auf Verhalten wirken, auf Emotionen, auf Gedanken. Aber keine, die das Betriebssystem selbst trifft. Und genau dort entsteht die Dauer der Muster, die Härte der alten Reaktionen und die Ohnmacht, die so viele Menschen spüren, wenn sie merken, dass Einsicht nicht genügt.

Ich begann mich zu fragen, warum wir in der Lage sind, Maschinen zu programmieren, aber keine Möglichkeit haben, den eigenen Reiz-Reaktionsmechanismus neu zu ordnen. Warum es einen Code für Software gibt, aber keinen für das menschliche System. Warum wir Signale im Außen verstehen, aber im Inneren von Geschichten überwältigt werden. Und mit jeder Antwort kam ich näher an eine einfache, aber weitreichende Erkenntnis: Der Geist ist nicht dafür gemacht, sich selbst zu beobachten. Er ist dafür gemacht zu funktionieren.

Der Moment, in dem eine neue Sprache möglich wird

Wenn wir dieses Prinzip ernst nehmen, entsteht Raum für etwas Neues. Eine Sprache, die nicht gegen das System arbeitet, sondern mit ihm. Eine Sprache, die neutral ist, präzise, knapp. Eine Sprache, die keine Emotionen anspricht und keine Bedeutungen erzeugt, sondern Impulse setzt, die das System unmittelbar versteht. Eine Sprache, die Bewertungen nicht umschreibt, sondern neu ordnet.

Aus dieser Lücke heraus ist der Direct System Code entstanden. Er entstand aus der Beobachtung, dass der Mensch endlich eine Möglichkeit braucht, sein inneres Betriebssystem so anzusprechen, wie wir es längst mit unseren Maschinen tun: direkt, klar, wirkungsvoll und frei von jeder Geschichte und somit von jeder Widersprüchlichkeit.

* Dies ist der zweite Teil einer siebenteiligen Reihe über die tiefere Funktionsweise unseres inneren Systems – darüber, warum wir Muster wiederholen, obwohl wir sie längst durchschauen, und welche Art von Sprache das Nervensystem tatsächlich versteht.

Den ersten Teil findest Du hier: Warum KI Technologie uns nie ersetzen kann

Am Ende der Reihe stelle ich ein Format vor, das auf dieser Erkenntnis aufbaut: Direct System Code: Ein Einstieg in die Sprache, die das System selbst erkennt.

 

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In einer Welt, in der das Offensichtliche selten hinterfragt wird, lädt „Ein Riss in der Realität“ dazu ein, tiefer zu blicken und die unsichtbaren Fäden zu entdecken, die unser Sein durchdringen. Dieses Buch versammelt 24 inspirierende Essays, die ursprünglich als Adventskalender auf Nicole Paskows Blog entstanden sind.

Jeder Text öffnet ein neues Fenster in die Weiten unseres Bewusstseins und ermutigt den Leser, die wahre Natur des Menschseins zu erkunden. Es ist eine Einladung, mit den inneren Augen zu sehen und die Klarheit zu finden, die in der Essenz unserer Existenz verborgen liegt.