Warum gibt es das Leben? Was ist das Leben überhaupt? Nächtelang lag ich früher wach und sah in die Sterne. Ich spürte die Schauer, die durch meinen Körper gingen bei der Vorstellung der Unendlichkeit, die mir, schwarz und blinkend, von oben entgegenblickte. Das Universum – welch‘ eine unvorstellbare Größe! Wer bin ich darin? Was ist das alles? …

Ich weiß nicht mehr genau, wann mir auffiel, dass mein Leben nichts Besonderes ist, obwohl ich es und mich immer für besonders gehalten habe. Besonders dies, besonders das … im Gegensatz zu anderen Leben und Menschen. Doch irgendwann fiel mir auf, dass auch ich den Naturgesetzen unterworfen bin. Wie alle anderen und alles andere auch.

Auch ich muss schlafen gehen. Auch ich wache auf. Egal, wie ich mich vor dem Einschlafen fühle, irgendwann schlafe ich ein. Und irgendwann wache ich auch wieder auf, solange ich nicht sterbe.
Egal, was vor dem Einschlafen los ist, es verschwindet im Tiefschlaf. Und taucht erst wieder nach dem Tiefschlaf, mit meinem Erwachen auf. Es geht allen so, ohne Ausnahme. Deshalb gibt es niemanden, der wirklich grundlegend besonders wäre.

Die große Wichtigkeit ist eine Nichtigkeit

Wenn etwas, das ich für so außerordentlich besonders und wichtig halte, wie mich selbst, wirklich so essenziell wichtig ist, wie kann es dann zeitweilig so sehr verschwinden, als ob es niemals existiert hätte? Wäre es essenziell und damit grundlegend wichtig, würde es immer da sein. Egal, was ist.

Doch rein gar nichts ist immer da. Da, wo die Erfahrung meiner selbst als Ich fehlt, fehlt auch die Erfahrung meiner Gefühle, meiner Gedanken, anderer Menschen, Situationen oder der Welt. Sie sind immer nur zeitweilig da, um nach einer Zeit des Verschwindens wieder aufzutauchen. Der Wahrnehmungsstrom scheint beständig unterbrochen zu werden von einer Zeit der Wahrnehmungslosigkeit in dem, was wir Tiefschlaf nennen.

Dennoch ist etwas anwesend, auch wenn im Tiefschlaf nur noch so viel Gewahrseinsenergie herrscht, dass meine Körperfunktionen aufrechterhalten bleiben. Für die Erfahrung von mir als Anwesenheit reicht es aber nicht aus. Ich kann also sagen, dass „ich“ nicht beständig bin, da die Erfahrung meiner selbst, als die Erfahrungsmacherin, nicht durchgehend stattfindet. Ich kann also sagen, dass das, was ich als mich kenne, etwas ist, was kommt und geht. Wer ist es dann, der mich überhaupt kennt? Der oder das müsste doch vor der Erfahrung meiner selbst da sein!

Das, was nie schläft …

Ich kann sagen, dass etwas, obwohl ich schlafe, so wach ist, dass mein Körper und seine Funktionen am Leben bleiben. Etwas Grundlegendes schläft also nie. Ein reines Gewahrsein über meine physische Anwesenheit. Eine Anwesenheit ohne „mich“.

Irgendwann habe ich erkannt, dass alles im Leben eine Metapher zu sein scheint. Ein Symbol für etwas, für das es keine Worte gibt. Vielleicht für ein Erkennen, das wir als ein Prinzip aus dem großen Dunkel fischen, weil es feinsinniger und umfassender ist als ein Gesetz. Es ist also etwas Universelles, Allesbetreffendes.

Wachen und Schlafen stellen für mich symbolische Stellvertreter für Leben und Tod dar. Die menschliche Erfahrung lässt mich das erkennen. Ich bin ein Mensch und mache die Erfahrung von Wachzustand und Schlafzustand. Wie gerade festgestellt, wachen wir auch im Schlaf, da liegt der Gedanke nicht weit, dass wir im Tod ebenso am Leben sind, wie im Leben selbst, nur nicht als Selbsterfahrung, sondern als seinsloses Sein. Als Sein ohne Lebenserfahrung. Im Schlaf ist etwas wach und im Tod ist etwas lebendig.

Ein- und Dasselbe …

Das, was immer wach ist, kann durch den Schlaf nicht eingeschläfert werden. Das, was immer lebendig ist, kann durch den Tod nicht sterben.

In beiden Fällen handelt es sich um ein und dieselbe Sache. Diese beständige Anwesenheit, die auf der tiefsten Ebene keine Anwesenheit braucht, um da zu sein, ist dasselbe wie das Lebendige, das kein Leben braucht, um lebendig zu sein. Es ist das, was Leben seiner Natur nach ist. Es kennt weder Schlafen noch Wachen noch Leben noch Tod, und ist dennoch da.

Dieses Sein, das kein Sein braucht, ist der Grundbaustein unserer Erfahrung als Individuen, die durch eine Welt laufen, die sie erforschen, als wäre sie eine beständige Größe, etwas Ewiges, Unveränderliches, in dem wir auftauchen, als Menschen in einer scheinbar festen Umgebung.

Erforschen wir die Erfahrung!

Wenn wir aber statt der Umgebung unsere Erfahrung erforschen, können wir erkennen, wie saglos, planlos, konzeptlos unser Dasein in Wirklichkeit ist und dass es in etwas gründet, für das kein Mensch jemals ein Wort finden könnte, weil es vor den Worten ist und damit vor jeder Erfahrung.

Es ist immer da, ohne Unterbrechung. So nah, dass es unberührbar ist. Die größte Nähe, die wir dazu aufbauen können, ist die Erfahrung grundloser Freude, die aus der vollkommenen Unmöglichkeit aufscheint, uns selbst jemals zu erfassen.

 

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