Transformation - anhören

von Nicole Paskow

 

An diesem Punkt, im Moment der Transformation, ändert sich wirklich etwas. Es geht nicht darum, dass ein altes Muster nicht mehr da ist. Vielmehr wird es auf eine sehr veränderte Weise betrachtet. Es verliert dadurch die Bedeutung, die es davor hatte. Der Verlust der Bedeutung, der mit der veränderten Sichtweise einhergeht, verändert das Gefühl zu dem, was geschieht.

Es kann das Gleiche geschehen wie vor der Transformation, aber es wird vollkommen anders gewertet, insofern ist es nicht mehr so, wie vorher. Es erscheint anders. Selbst wenn ein Gedanke auftaucht, der Selbstzweifel enthält, hat er nun keine Auswirkungen mehr, er erreicht intern niemanden mehr, der sich dafür interessiert. Das Interesse ist erloschen, zusammen mit der Instanz, die ihr ganzes Leben lang Interesse an diesen Gedanken gezeigt hat.

Wenn Selbstzweifel, um bei dem Beispiel zu bleiben, (es gilt für alle anderen einschränkenden Glaubensmuster) nicht mehr die gewohnte Bewertung erfahren, haben sie auch irgendwann keinen Grund mehr aufzutauchen. Da wo kein Interesse, keine Aufmerksamkeit herrscht, taucht nichts mehr auf. Es taucht nur das auf, worauf die Aufmerksamkeit bewusst oder unbewusst gerichtet ist.

Interesse steuert

Es ist eine Frage des Interesses. Interesse wiederum ist der Antrieb, der die Richtung der Aufmerksamkeit steuert. Wenn Angst unser Leben bestimmt, besteht ein (unbewusstes) Interesse an Angstthemen.

In dieser Atmosphäre hält sich die Aufmerksamkeit auf. Sie beschäftigt sich mit Themen, die Angst erzeugen, anstatt sie nicht mehr mit Interesse aufzugreifen. Doch das kann nicht willentlich gesteuert werden. Wir können nicht beschließen keine beängstigenden Gedanken mehr zu denken. Sie tauchen auf, weil ein Zwang besteht, sich dort aufzuhalten. Als ob ein Magnet den Blick in einer bestimmten Richtung gefangen hält.

Wir können nur tief einsehen, dass dort, wo Angst auftaucht, die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet ist. Sie ist dort gebunden und kommt nicht weg. Warum kommt sie da nicht weg? Weil ein Widerstand dagegen herrscht, sie von dort abzuziehen.

Jenseits der Grenze

Der Widerstand ist wie eine Grenze. Wir wissen nicht, was jenseits des Widerstands ist, weil wir nicht dorthin sehen können. Könnten wir es, wäre der Widerstand überwunden. Er ist es ja, der uns auf der einen Seite der Medaille gefangen hält und uns auf allen Ebenen des Daseins erzählt, dass die andere Seite gefährlich ist. Wir wagen es nicht dorthin zu blicken. Wir verdrängen einen Teil von uns selbst.

Keine Angst mehr zu haben würde heißen, die beängstigenden Gedanken und insbesondere die Empfindung der Angst zu ignorieren, sie einfach da sein zu lassen, ohne auf sie zu reagieren. Doch auch dazu kann man sich nicht zwingen. Die Ignoranz der Angst tritt vielmehr automatisch ein, wenn erkannt wird, dass es nur Gedanken sind, die Verursacher dieses inneren Aufruhrs sind. Das ähnelt der Entdeckung, dass die Potemkinschen Dörfer nur unbewohnte Kulissen sind. Sie tun so, als ob sie was wären, sind aber, bei genauerem Hinsehen, nichts. Sie haben keine Substanz.

Gedanken, für die sich keiner Interessiert, haben keine Substanz. Die Substanz bildet allein die Aufmerksamkeit, die sie trägt und durch die erzeugten Gefühle, in die Wirklichkeit hebt. Fühlen wir die Angst, glauben wir auch an ihre Wirklichkeit – ebenso wie die Gedanken, die ihr vorauseilen. „Wenn ich so weiter mache, wird alles den Bach runtergehen“ … ist zum Beispiel, so ein Gedanke. Bekommt er die volle Aufmerksamkeit, trifft uns die Wucht der Gefühle, die uns vielleicht sogar zu Handlungen zwingen, die allein aus dieser Angst kommen und dem Bedürfnis sie nicht mehr fühlen zu müssen.

Ohne Folgen keine Folgen

„Jetzt ist alles aus!“, „Das wird nie wieder was!“, „Es hört nie auf, ich bin verloren, ein Versager, eine Versagerin …“ usw. Wenn diese Gedanken nicht sofort im Keim erstickt werden, indem man ihnen die Aufmerksamkeit entzieht, schleifen sie uns erbarmungslos in ihren emotionalen Folterkeller.

Folgen wir ihnen nicht … bleibt alles wie es ist: entspannt. Wird dieser Mechanismus einmal wirklich erlebt und erkannt, vielleicht sogar erst nach dem zehnten oder fünfzigsten Mal, ändert sich alles.
Dann weiß etwas in uns, dass die persönliche Disposition zur Angst oder zur Selbstentwertung oder zu Sinnlosigkeitsgedanken nur deshalb überlebt, weil ich hinsehe und folge. Ich kann hinsehen und die Gedanken bemerken, aber wenn ich nicht folge, passiert gar nichts.

Das ist eine bahnbrechende Entdeckung, weil sie alles aushebelt, was wir unser ganzes Leben lang geglaubt haben: Was wir denken und fühlen ist echt!

Nein, ist es nicht.

Worauf ruht Dein Blick?

Was wir denken und fühlen richtet sich allein danach, wo wir hinschauen. Wofür wir offen und empfänglich sind. Wofür wir uns wirklich interessieren. Wenn wir uns von Grund und Boden auf dafür interessieren glücklich zu sein, wird alles, was uns unglücklich sein lässt, nicht in unserem Blickfeld auftauchen. Es hat dann von Natur aus keinen Zutritt. Und das bedeutet nicht, sich vor den negativen Geschehnissen der Welt zu verschließen und weltfremd zu werden.

Es bedeutet den Mechanismus zu durchschauen: Ich fühle mich unglücklich, weil ich unglücklich machende Gedanken glaube und ihnen in ihre Finsternis folge.

Bleibe ich bei mir, was bedeutet, dass ich in der offenen Präsenz meiner selbst verweile, ändert sich mein inneres Klima nicht.

Einsehen nicht Tun

Aber ich wiederhole: Alles, was ich beschreibe, ist die Folge einer Einsicht. Es ist kein Tun, kein willentlicher Akt, sondern Ergebnis einer tiefen und eindeutigen Beobachtung. In sich selbst nachzusehen kann einem keiner abnehmen, das muss man selbst tun. Auf dieses Experiment muss man sich selbst einlassen, um es zu erfahren.

Und das bedeutet, man muss selbst die Grenze in sich überwinden, den Widerstand dagegen, zum anderen Ufer zu schwimmen. Die Angst zu ignorieren, triggert Todesangst. Das kann passieren. Deshalb ist es viel eher ein Prozess der stetigen Annäherung, bis man den Absprung schafft, als ein einmaliges Erkennen.

Obwohl auch das möglich ist. Es kommt auf die Deutlichkeit der Beobachtung an. Sie bestimmt die Klarheit, zu der wir kommen. Sie bestimmt, ob wir bewusst wahrnehmen, was geschieht oder ob Anteile der Wahrnehmung im Nebel verbleiben.

Echter Wandel

Transformation heißt nicht nur Veränderung. Transformation bedeutet Wandel. Etwas, das vorher erlebbar war, ist unwiderruflich nicht mehr erlebbar. Dafür tritt etwas ganz anderes in den Raum. Vergleichbar mit einer neuen Sprache, die man lernt. Am Anfang versteht man kein Wort. Und am Ende kann man nicht mehr nicht verstehen, was gesagt wird. Es ist vorbei mit dem Unverständnis, es ist weg.

Genauso ist es mit unseren Glaubensmustern. Wir können sie analysieren und in ihnen herumsuchen nach der Ursache, dem Trauma, dem auslösenden Erlebnis usw. Doch das ändert nichts daran. Es gibt nur haargenau zwei Wege mit ihnen umzugehen: Ignoranz oder Verschmelzung.

Zwei Wege 

Wahre Ignoranz lässt sie über kurz oder lang verblassen und verschwinden, weil absolut kein Interesse mehr an ihnen besteht. Denn nichts taucht auf, was keine Aufmerksamkeit bekommt, weil ihm die Kraft zur Manifestation fehlt. Einfach gesagt: keiner schaut hin – nichts geschieht. Wird das oft genug erfahren, kommt es zur Transformation – die es zutiefst unverständlich macht, wie man jemals solch destruktiven Ideen über sich selbst folgen konnte.

Wahre Verschmelzung lässt uns eins werden mit der Angst, dem Schmerz, der Leere usw. Du lässt das, was gerade als Empfindung, Gefühl, Emotion in Dir auftaucht so nah an Dich heran, dass es sich nicht mehr von Dir unterscheidet. Auch in diesem Fall verschwindet der Widerstand und somit die Grenze, die zwischen den Ufern in Dir besteht.

Wenn Du zur Angst wirst, gibt es kein Problem mehr. Auch das ist ein Weg zurück in die reine Präsenz, die wir sind. Ich lasse vollkommen sein, was geschieht und habe keinerlei Problem mehr mit dem, was in mir auftaucht, den ich (Widerstand) verbrenne in der Angst, im Schmerz, in jedem vormals als überwältigend bewerteten Empfinden.

Beide Wege sind transformierend, wenn sie gegangen werden. Sie führen ins natürliche Menschsein, das sich wie eine sich häutende Schlange aus den beengenden Ansichten schält, die uns so lange begleitet und unnötig gequält haben. Dann sehen wir, dass die Sonne auch in der Dunkelheit der Nacht scheint, weil sie niemals abwesend ist. Es kommt nur darauf an, aus welcher Perspektive wir auf sie schauen.

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