Die Illusion der Selbstoptimierung - anhören

von Nicole Paskow

 

Im uferlosen Strom unserer Gedanken und Gefühle, in den weitläufigen Landschaften unseres inneren Reiches, liegt eine unergründliche Schönheit verborgen. Doch oft sind wir gefangen in einem Geflecht aus Selbstmanipulation und dem Streben nach Verbesserung, als wäre unsere bloße Existenz ein unfertiges Werk, das es zu perfektionieren gelte. Wir sehen uns als Getriebene in einem zwanghaften Bemühen nach Selbstoptimierung, als könnten wir uns zu einer besseren Version unserer selbst formen, als wäre das Leben ein unvollendetes Projekt, an dem wir stetig feilen müssen.

Doch in diesem Streben verlieren wir den Kern dessen, was es bedeutet, lebendig zu sein. Wir verlieren das Innehalten, das Staunen, wir verlieren die tiefen Fragen und verstricken uns in Gefühlen des Mangels und der inneren Zerrissenheit. Betrachten wir doch die Schönheit der Natur, der Pflanzen und Blumen, die sich nicht bemühen, schöner zu sein, sondern die einfach sind, in ihrer vollen Pracht und Präsenz. Wir sind nichts anderes als sie: ein Teil des unendlichen Flusses des Lebens, der sich ohne Widerstand entfaltet.

Stellen wir uns vor, wir wären wie ein Fluss, der ungestüm durch die Täler und Schluchten unseres Daseins strömt, ohne Zwang oder Vorbehalt. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, jede Empfindung ist eine Welle, die sanft oder wild über die Oberfläche gleitet, ohne den Fluss jemals in seinem Sein zu stören. Doch allzu oft versuchen wir, den Fluss zu kontrollieren, die Wogen zu glätten, die Strömung zu lenken. Wir klammern uns an die Illusion der Verbesserung, als könnten wir das Unveränderliche verändern, als könnten wir uns von uns selbst loslösen. Und wir erleben dann das Unvermeidliche, den Stress, die Angst, den Zweifel und all die dunklen Gefühle, die mit der Abspaltung der wahrgenommenen Gefühle verbunden sind.

Die Essenz unseres Seins

Doch in dieser Illusion verlieren wir die Essenz unseres Seins aus den Augen. Wir vergessen, dass wir bereits vollkommen sind, dass wir nichts hinzufügen oder entfernen müssen, um das zu sein, was wir sind: unerklärliche, lebendige Wesen in einem unsagbaren, unfassbaren Grund, der sich niemals erkennen lässt.

Die größte Angst eines Menschen ist die Angst vor der tiefen Berührung seiner eigenen Existenz. Denn in diesem Moment, in dem wir vollständig offen sind für das, was ist, gibt es keine Kontrolle mehr, keine Illusion der Sicherheit, keine Idee der Vorhersagbarkeit und keinerlei Interesse an einer Definition dessen, was gerade geschieht. Uns wird offenbar, dass wir der Unsagbarkeit das begrenzende Kleid der Begrifflichkeiten umgelegt haben und das wir uns damit schon immer in virtuellen Welten bewegen. Auf der Grundlage von gar nichts.

Es gibt nur diesen Augenblick, in dem Zeit und Raum keine Rolle mehr spielen, in dem keine Fragen mehr auftauchen nach Sinn und Unsinn, nach Wert und Unwert, in dem wir einfach nur sind – mitgerissen vom steten Wandel des Daseins, unwissend und wissend zugleich, Hingegebene ohne den Umriss der Hingabe.

Hingegebene ohne Hingabe

In dieser Berührung, ob sie herrlich oder schrecklich ist, liegt die größte Freiheit verborgen. Denn wenn wir uns vollständig hingeben an das, was ist – was wir erst können, wenn wir darum wissen, dass wir bereits Hingegebene sind – ob es uns bewusst ist, oder nicht, dann verschwindet die Illusion der Trennung, die uns gefangen hält in einem endlosen Kreislauf von Wollen und Nichtwollen.

Wir sind wie Vögel, die frei am Himmel schweben, ohne Angst vor dem Sturz, ohne Zwang zum Fliegen. Wir sind wie Blumen, die sich der Sonne und dem Wind hingeben, ohne zu fragen, ob sie schön genug sind, weil sie einfach nur sind, wer oder was sie sind. Wir sind wie der Fluss, der unermüdlich seinem Lauf folgt, ohne zu wissen, wohin er führt und ob er jemals endet.

Im Erkennen, dass wir sowohl ein vollkommener Teil des vollkommenen Ganzen und gleichzeitig das vollkommene Ganze selbst sind, in genau der Form, in der wir uns erscheinen – liegt die Freiheit zu sein, wer wir sind, ohne Wenn und Aber. Ohne psychologische Ideen, ohne spirituelle Ideen, ohne ideelle Ideen … Wir sind einfach nur da, im endlosen Wirbel des Lebens, ohne Anfang und ohne Ende. Genau jetzt.

Das Paradies auf der Suche nach sich selbst

Jede Selbstoptimierungsidee erscheint an diesem Punkt absurd. Als würde eine Ameise versuchen an Gottes Bein zu pinkeln, was sinnlos ist und überflüssig, denn es wird Gott niemals jucken. Die Ameise kann tun und lassen, was sie will, da ist kein Richter, der sie verurteilt, wenn sie Gott ans Bein pinkelt.

Da ist kein Paradies, das auf sie wartet und keine Hölle, in der sie schmoren wird. Sie selbst ist das Paradies, das auf der Suche nach sich selbst die Hölle dieser sinnlosen Suche erlebt, die vollkommen aussichtlos ist. Wir sind unendlich schön, wenn wir einfach nur fraglos sind, wer wir sind. Wenn jede Suchfunktion eingestellt ist, weil es da nichts zu finden gibt, was nicht schon da wäre.

Wir sind Gefangene in einem Spiel, aus dem wir niemals entkommen können und gleichzeitig waren wir noch nie drin. Jenseits von Wollen und Nichtwollen, liegt die Welt der Paradoxa, in der keine Trennung existiert, in der kein Wille lenkt, in der alles widerstandslos erscheint, wie es das tut und widerstandslos erfahren wird.

Trotz dem gleichzeitigen Dasein eines Willens und Nichtwillens, der als Impuls Dein Blut in Wallung bringt, Deine Fähigkeit zum Handeln anzündet und Dich zielgerichtet agieren lässt in dem Gefühl zu Handeln, zu Entscheiden und Du zu sein. Wir sind und sind und sind, was wir sind. Ohne jemals zu wissen, wer oder was wir sind und das ist vollkommen egal, wenn wir nur sind, wer wir sind. Das reicht aus. Für alles.

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