Die unbegreifliche Schönheit des Seins - anhören

von Nicole Paskow

Wir Menschen sind auf eine tiefe Art und Weise darauf konditioniert zum Guten zu streben und das Schlechte zu meiden. Diese Konditionierung ist keine mentale, sondern eine biologische Prägung.
Sie ist jedenfalls so tief, dass man sie als natürlich bezeichnen kann. Jedes Tierchen, jede Pflanze strebt zum Licht und fährt bei Bedrohungen jeder Art, ob sie nun rational begründbar sind oder nicht, die Stacheln aus.

Was wir als das Leben, uns selbst und die Welt wahrnehmen, nehmen wir nur wahr, weil alles zwischen dem Plus und dem Minuspol sichtbar wird. Die Bewegung des Lebens geschieht in dieser Spannung und wird durch sie hervorgerufen. Man könnte sagen, die Anwesenheit existiert nur durch ihre Abwesenheit. Dasein ist die andere Seite von Nichtsein. Beides gleichzeitig IST die Spannung, in der alles zu sich kommt, was als existent wahrgenommen wird.

Das Ichgefühl, das jeder Mensch kennt, trägt in sich auch genau sein Gegenteil – die völlige Abwesenheit einer wahrnehmenden Instanz. Doch wahrnehmbar ist allein das Ichgefühl. Das Empfinden: Ich. Ich bin hier. Machen wir uns allerdings auf die Suche nach dem Ich hinter dem Ichgefühl, nach seinem Ursprung finden wir … nichts. Das kann jeder für sich selbst überprüfen.

Wir sind wie wir uns wahrnehmen

Dennoch können wir dieses Ichgefühl nicht verlassen und es kann uns nicht verlassen. Keine Erleuchtung der Welt schafft das Ichgefühl ab. Weil es auch gar nicht darum geht.
Um das Leben wahrzunehmen, braucht es einen Wahrnehmenden. Das bin ich. Das bist Du. Durch Dich wird die Welt sichtbar. Auf die Weise, wie Du sie siehst. Es ist niemals etwas verkehrt oder richtig damit.

Es gibt ein universelles Ichgefühl. Es ist genau das, was Du schon kennst. Dieses Empfinden ist in absolut jedem Menschen gleich. Warum? Weil es nur und ganz allein dieses eine Ichgefühl gibt. Das nackte Empfinden von Dasein und von „man selbst Sein“. Wir kommen nur durcheinander, weil das eine Ichgefühl (Ich Bin) fast 8 Milliarden Namen trägt und daher glaubt abgetrennt von den anderen zu sein.

Das Spannende ist nun die Entdeckung, was hinter dem Ichgefühl, hinter der Wahrnehmung „Ich Bin“ steckt. Worin bin ich eingebettet? Was geht mir voraus? Was ist „vor“ mir da?

Eine gigantische Abwesenheit

Gehen wir davon aus, dass es nur ein einziges Ichempfinden gibt, das sich als 8 Millarden Perspektiven erfährt, können wir auch davon ausgehen, dass es eine genauso gigantische Abwesenheit dieses Ichempfindens gibt. Die andere Seite. Leben ist nur die andere Seite von Tod.
Das ist die Spannung, die uns ins Leben hebt. Eizelle und Spermium. Kreis und Pfeil. Zwei Gegensätze, die sich anziehen – Mann und Frau sind die Bedingung für das menschliche Leben.

Doch geht es noch weiter? Worin tauchen diese Anwesenheit von Ich bin und diese Abwesenheit von Ich bin nicht, auf? Sie sind beide der direkte Ausdruck des Absoluten. Als das Absolute bezeichnen wir das, was vor dem Gewahrsein und vor dem Bewusstsein existiert. Das ist der Urgrund allen seins. Wenn wir betrachten, was wir über diesen Urgrund sagen können, können wir nur zu einem einzigen Schluss kommen: gar nichts. Alles, was wir sagen können, entstammt dem Bereich von Bewusstsein.

Das Absolute jedoch ist jener Ort, an den die Wahrnehmung niemals heranreichen kann, weil sie ihm entspringt. Es ist der namenlose Nicht-Ort, das zu Hause von Weder-Noch, auch bekannt als „Neti-Neti“. Es handelt sich um die Totalität allen Seins, die selbst vollkommen ungreifbar ist, weil sie jenseits aller Erfahrung liegt. Etwas Totales ist von Natur aus vollständig. Es ist so voll und ganz, dass keine zweite Instanz darin Platz hat. Deshalb weiß die Totalität auch nichts von sich. Wissen existiert nur dort, wo es zwei gibt: Einen Wissenden und etwas Gewusstes. In der Totalität des Absoluten aber existiert nichts Zweites, das über etwas reflektieren könnte.

Die absolute Grundlage von Existenz

Und jetzt kommts: DAS ist die Grundlage unserer Existenz. DAS ist unsere Wurzel. DAS ist die Wurzel der Krone, die wir als uns selbst erkennen. Wir entstammen diesem heiligen Paradies, das so total ganz ist, dass es um nichts weiß und deshalb in einer Entspanntheit verweilt, die keine Entspanntheit braucht, da sie nichts von Entstpanntheit und Unentspanntheit weiß.

Von dieser Wurzel ausgehend ist absolut klar, dass wir einer Vollkommenheit entstammen, die vollkommener nicht sein könnte. Es existiert kein Bruch zwischen einem fluchenden Straßenkehrer und der Absolutheit, der er entstammt. Es existiert kein Bruch zwischen Deinen Tränen, weil etwas nicht so klappt, wie Du es Dir wünschst, und dem Absoluten, dem Du entstammst.

Alles, was geschieht, geschieht aus dieser Totalität heraus, die nichts um sich weiß, die in einem absoluten Frieden ist, weil sie nichts von Gegensätzen weiß. Du und ich und die Welt, wir sind der Ausdruck dieser Absolutheit. Und hier, in der Wahrnehmung – die der „weder Wahrnehmung noch nicht Wahrnehmung“ entstammt, gibt es all das, was es gibt. Es gibt Schuld und Unschuld, es gibt Schönheit und Hässlichkeit, es gibt Angst und Liebe und Mord und Totschlag usw.

Wir sind schon wahrgenommen

Und all das ist so, wie es ist. Und darin sind auch wir Menschen einfach Wahrgenommene im absoluten Ichgefühl. All unsere Neurosen sind wie sie sind. Und all unsere Versuche sie abzulegen, sie zu verändern, zu transzendieren, sie abzuschaffen … führen zu gar nichts. Sie machen nur noch mehr Stress, als wir sowieso schon haben. Weil alles Wahrgenommene in Zeit und Raum existiert und somit kommt und geht. Unsere Neurosen kommen und gehen wieder. Vielleicht kommen sie irgendwann nicht mehr, vielleicht auch nicht.

Niemand kann das wissen. Unsere Ängste kommen und gehen, unsere Freuden kommen und gehen und nur die Hoffnung, dass die schlechten Dinge endlich wegbleiben, treibt uns an uns zu ändern. Dabei werden wir immer zwischen guten Gefühlen und schlechten Gefühlen hin und herpendeln. Da können wir uns „auf den Kopf stellen und mit dem Arsch fliegen fangen …“ wie meine Mutter immer sagte, als ich klein war. Es wird nichts ändern. Wir kommen da nicht raus, weil wir selbst etwas sind, was kommt und geht. Und alles, was kommt und geht ist dem Wandel unterstellt. Im Leben gibt es also keine Möglichkeit der dauerhaften Glückseligkeit, der dauerhaften Entspanntheit, der dauerhaften Liebe, der dauerhaften Freude und Ekstase. Unmöglich!

Glückseligkeit ist das Prinzip des Absoluten, das unsere Wurzel ist. Wir entstammen dem absoluten Nichtwissen um sich selbst und damit auch dem absoluten Nichtwissen um irgendetwas Problemhaftes. Wir sind schon glücklich, ohne glücklich sein zu müssen, wir können es weder werden noch mit unseren Sinnen wahrnehmen. Wir sind es bereits. So, wie mein Hund er selbst ist, ohne zu wissen, dass er ein Hund ist oder er selbst oder eine französische Bulldogge. All diese Bezeichnungen kümmern ihn nicht, weil er nur da ist. Und wenn er weg ist, ist er weg, es wird ihn nicht kümmern.

Wir kommen nicht raus aus der menschlichen Erfahrung

Jede Erfahrung, die wir machen, ist eine Erfahrung, die wir machen. Ob sie sich gut oder schlecht anfühlt, ist nur relevant für den Wahrnehmenden, und damit für das Ichgefühl, das auch schon wahrgenommen ist als Erscheinung in der Totalität. Und das können wir wissen. Wir werden immer nach Glück streben und glücklich sein, wenn das Unglück gerade nicht da ist. Und wir werden unglücklich sein, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir das wollen. Es ist unausweichlich.

Es tut weh, wenn ich mich verbrenne und es ist schön, wenn ich gestreichelt werde.
Ich habe Angst, wenn ich mich bedroht fühle und ich bin entspannt, wenn ich mich sicher fühle. So, wie jeder Mensch. Ich weiß einfach absolut, dass ich da nicht rauskomme, also sehe ich keinen Grund mehr mich gegen das aufzulehnen, was ich sowieso wahrnehme. Das ist alles. Die Hölle ist nur ein wahrgenommener Gedanke, wie das Paradies auch. Mal gibt es höllische Momente, mal gibt es paradiesische Zustände. Und friedlich ist es zwischendurch auch. Ich weine, ich lache. Ich ärgere mich, ich freue mich … ich bin absoluter Kanal für das Leben, das mich lebt, wie es mich lebt.

Es gibt keine Regeln, es gibt keine Kontrolle, es gibt keinen Plan. Es gibt nur das absolute Sosein dessen, was Du wahrnimmst. Das mache nicht ICH und das macht auch nicht das ICH, das DU bist. Es ist die Totalität eines Geschehens, das unsagbar ist. Und darin liegt eine Schönheit, die jenseits von schön und hässlich ist. Es ist die unbegreifliche Schönheit von Sein.

 

 

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