... was wirklich trägt - anhören
Heute habe ich Geburtstag. Fünfzig Jahre.
Für viele ist diese Zahl ein Einschnitt, ein Wendepunkt. Man denkt an das Älterwerden, an Vergänglichkeit, an die Jahre, die schon vergangen sind – und an die, die noch bleiben. Auch ich könnte so darauf schauen. Aber in Wahrheit fühlt es sich anders an.
Ja, mein Körper ist 50 Jahre alt geworden. Er hat sich verändert, er trägt Spuren, er wird älter. Aber das, was ich wirklich bin, altert nicht.
Lange habe ich geglaubt, ich sei dieses „Ich“, das sich wie ein Zentrum anfühlt – das denkt, fühlt, hofft, sich sorgt. Doch wenn ich genau hinsehe, erkenne ich: Dieses Ich-Gefühl ist selbst nur etwas, das auftaucht und wieder verschwindet. Ein Gedanke, ein Empfinden, ein Knoten – nicht mehr und nicht weniger.
Die Wirklichkeit vergeht nie
Was nie verschwindet, was immer da ist, ist das Bewusstsein. Nicht „mein“ Bewusstsein. Sondern einfach Bewusstsein: der offene Raum, in dem alles auftaucht – Körper, Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und sogar die Idee, heute 50 Jahre alt zu sein.
Wenn das akzeptiert ist, verändert sich alles. Ich muss das Ich nicht mehr retten oder verteidigen. Ich kann hier sein, ohne mich mit Vergleichen oder Erwartungen zu belasten. Geburtstage verlieren dann ihren Ernst. Sie sind keine Marker für Verlust oder Endlichkeit, sondern nur neue Formen, die im selben offenen Raum erscheinen.
Etwas in mir hat sich schon immer nach dem gesehnt, was wirklich trägt. Nach etwas Endgültigem. Fast wie nach einer „Weltformel“. Früher dachte ich, das müsse etwas Festes, Greifbares sein. Doch im Laufe der Jahre habe ich erkannt: Das, was wirklich Halt gibt, ist gerade das Definitionslose.
Die größte Sicherheit
Reines Bewusstsein ist frei und offen – und genau darin liegt paradoxerweise die größte Sicherheit. Kein lokales Ich könnte sich das je ausdenken. Doch wenn es geschieht, wenn Identifikation durchlässig wird, stellt sich eine Leichtigkeit ein, die unbeschreiblich ist.
Ich dachte früher auch immer, ich müsse „mich“ akzeptieren oder „mich“ fallen lassen. Doch heute sehe ich: es ist ganz anders. Das wirkliche mich sein lassen bedeutet zu bemerken, dass dieses Ich-Empfinden selbst – wie alles andere – in einem stillen Registrieren auftaucht. Alles, was in mir geschieht, ist längst schon zugelassen. Jeder Gedanke, jede Handlung, jede Empfindung ist schon aufgenommen, schon gespiegelt.
Und genau hier liegt die eigentliche Sprengkraft: Dieses Registrieren urteilt nicht. Es prüft nichts, es hält nichts zurück, es korrigiert nichts. Und deshalb kann alles hindurch, was auftauchen will: die wildeste Theorie über das Universum, die zarteste Empfindung, die größte Liebe, die dunkelste Angst, die verrückteste Kreativität. Es gibt keine Form, kein Muster, kein Aussehen von Offenheit. Gerade das macht sie so grandios, so paradox, so unendlich schön.
Die Möglichkeit des Menschseins
Genau dadurch zeigt sich auch das größte Potenzial des Menschen: Nicht an Gedanken oder Gefühlen hängen zu bleiben, ebenso wenig an der eigenen Identität oder an der Verhaftung mit dem Leben. Sondern tief auf sich selbst besonnen zu sein – nicht im Sinn von Egozentrik, sondern auf eine Leere reduziert, die maximale Fülle in sich trägt. In dieser reinen Freiheit des Seins.
Ja, von außen betrachtet, aus der Einschränkung des denkenden Geistes, mag es wirken, als würde man „verrückt“ werden. In Wirklichkeit aber bedeutet es, ganz zu werden – auf eine Art, die klar macht, dass man nie geteilt war. Die Idee der Trennung taucht einfach in dieser Ganzheit auf, ohne sie je zu berühren. Sie war nie ein Hindernis. Und sie war nie Realität.
Wenn das klar wird, verschiebt sich die Perspektive radikal. Es wird deutlich, dass ich nicht das bin, was auftaucht – sondern das, in dem alles auftauchen darf. Dieses Unvergängliche. Und ob jemand anderes das nachvollziehen kann oder nicht, spielt keine Rolle mehr, weil wahre Gewissheit keine Bestätigung braucht. Ich weiß darum und das genügt.
Alles, was bleibt, ist ein tiefes „Danke“. Der Rest wird still – berührt vom Sonnenlicht des Daseins, das auf alles zurückstrahlt.
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In einer Welt, in der das Offensichtliche selten hinterfragt wird, lädt „Ein Riss in der Realität“ dazu ein, tiefer zu blicken und die unsichtbaren Fäden zu entdecken, die unser Sein durchdringen. Dieses Buch versammelt 24 inspirierende Essays, die ursprünglich als Adventskalender auf Nicole Paskows Blog entstanden sind.
Jeder Text öffnet ein neues Fenster in die Weiten unseres Bewusstseins und ermutigt den Leser, die wahre Natur des Menschseins zu erkunden. Es ist eine Einladung, mit den inneren Augen zu sehen und die Klarheit zu finden, die in der Essenz unserer Existenz verborgen liegt.
Liebe Nicole,
aus meinem Herzen ganz freudvolle und dankbare gute Energien zu Deinem Geburtstag.💞🤗
Was für ein ansprechendes Foto Du hier mit uns teilst! Es strahlt freundliche Lebensweisheit aus.
Du hast den Segen des Älterwerdens gut genutzt. Ich selbst bin immer wieder dankbar dafür, dass ich in einem Umfeld leben, in dem ich das Älterwerden erleben darf (ist ja nicht gerade selbstverständlich), denn erst wenn man so einiges an Erfahrungen gesammelt und ausgewertet hat, öffnet sich die Tür zur Weisheit.
Danke für diese wertvolle Perspektive: „Die Idee der Trennung taucht einfach in dieser Ganzheit auf, ohne sie je zu berühren.“!
So habe ich das noch nie gesehen. Ich hatte immer das Gefühl, dass diese Vorstellung von Getrennt-Sein alles andere irgendwie platt macht und abwürgt, so dass es notwendig wäre zunächst diese Vorstellung zu entmachten, damit meine Wahrnehmung wieder frei wird.
Das Bild, das Du uns hier schenkst nehme ich mit ins Wochenende und lasse es wirken. Es fühlt sich sehr befreiend an. DANKE!
Hab einen wunderschönen Tag heute. Schön, dass es Dich gibt!
Sabine
Liebe Sabine,
hab vielen Dank für Deine herzlichen Worte und die schönen Gedanken zum Älterwerden – sie haben mich sehr berührt. Es freut mich, dass Dich das Bild der Ganzheit so angesprochen hat und Dir eine neue Perspektive schenken konnte.
Schön, dass wir diesen Weg des Erkennens teilen.
Herzliche Grüße
Nicole
Die Mehrdeutigkeit des Augenblicks will offensichtlich der Eindeutigkeit des Seins Bahn brechen.
Dass ich mich im Zuge dessen nirgends finden kann ist wohl die Basis des Pläsiers und dass ich’s letztendlich😉 nicht einmal bis zu einem echten Geburtstag geschafft habe, das kläre ich dann noch mit meinem Tod. Bis dahin drehe ich weiterhin ganz friedlich meine Lebensrunden in Freud und Schmerz und erfreue mich an den wunderschönen Lilien, die wir auch sind und über die Teilhabe am Pendeln zwischen Verrückt-und Entrückt – Sein.
Das ist ja echt zum ohnMacht ig werden 😀
Happy Birthday Nicole!
wünscht Dir von Herzen Maja
Liebste Maja,
danke Dir sehr für Deine poetischen und so originellen Zeilen – sie haben mich zum Schmunzeln gebracht und zugleich berührt.
Ich mag Deine Art, das Leben zwischen Tiefe und Leichtigkeit auszudrücken.
Danke auch für die Glückwünsche!
Herzlich
Nicole
Liebe Nicole,
ich „folge“ dir jetzt schon seit Jahre, und bin begeistert darüber, wie sich dein Geist und damit dein (Internet-) Universum immer mehr dehnt!
Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag! Ich freue mich schon auf deine Impulse in den nächsten 50 Jahren!
Herzliche Grüße von
Hans Werner
Lieber Hans Werner, danke Dir für Deine schöne Nachricht! Und ja, in den nächsten 50 Jahren hab ich viel zu tun! 😀
Schön, dass Du dabei bist! LG Nicole