Die Reise nach Hause - anhören

von Nicole Paskow

 

 

Zu mir kommen, heißt fallen. Fallen, wie ausatmen. Der Atem der Welt vergeht in diesem Ausatmen und zusammen mit ihm vergeht jeder andere, jede andere, jedes andere und alles andere in ein nicht vorhandenes Irgendwo, das keine Aufmerksamkeit mehr bekommt. Ganz zu mir kommen, heißt Fallen. In ein „Mich“ hinein, das keine Gedanken mehr kennt. Keinen Namen, keinen Zustand, keinen Ort.

Tiefstes Ich ist Sein als Nichtsein und es ist Nichtsein als Sein. Wie ein Planet mit zwei Seiten, der in einem unsichtbaren Raum in keine Richtung fällt. Weil es gar keine Richtungen gibt. Gravitation ist nur eine Spannung, die, wie ein Bogen, zwischen Plus und Minus steht. Sie sieht für uns wie eine Kraft aus, welche die Dinge nach unten zieht. Für uns, als die gewöhnliche Perspektive, die nur zwischen den Kontrasten pendelt, aber sich dessen nicht gewahr ist, dass sie selbst Teil einer weit größeren Dimension ist.

Sie ist Teil einer Dimension, die so groß ist, dass sie die gesamte gewöhnliche Perspektive in sich birgt. Und noch mehr als das: Sie bringt sie hervor und spiegelt sich gleichzeitig vollkommen in ihr, ohne jemals absolut in ihrer Gestalt zu verschwinden. Deshalb könnte man sagen: Alles ist aus Gott gemacht, aber Gott verliert sich nicht in all den Perspektiven, die ihn reflektieren. Er ist nicht fassbar innerhalb der Perspektiven. Unsichtbar für sich selbst als er selbst, sichtbar nur als das gesamte unendliche Farbspektrum seiner Anwesenheit.

Ganz allein in mir – bis zum Rand des Universums …

Wenn ich ganz zu mir komme, reise ich durch all die Spektren von Dimensionen, die sich mir eröffnen, wenn ich ganz zu mir komme. Ich weiß, dass ich das, was ich sehe, immer nur vollkommen allein sehen werde. Ich habe lange, lange, lange gebraucht, um endlich zu sehen, was ich sehe, wenn ich ganz bei mir bin.

Es ist, als ob mich ein starker Sog immer davon abhielt genau hinzusehen. Was ich sehe, wenn ich nur hinsehe, hat mit flüchtiger Geometrie zu tun, mit feinen Strukturen und mit Musik, die langsam, sehr, sehr langsam, ihre Töne verliert. Es ist, als ob die Töne auseinanderdriften, wie Gesteinsbrocken nach dem Urknall.

Sie hinterlassen einen Schall im Raum, der durch die Dehnung der Zeit entsteht, wenn sich der Raum entfaltet, und so bekommt man den Eindruck, dass die Töne zusammenhängen, doch dieser Zusammenhang löst sich am Rand der Welt langsam auf. In eine unendliche Stille hinein. Eine Stille, die noch nie Töne gekannt hat. Man kann tatsächlich an den Rand des Universums reisen. Doch dafür muss man bereit sein überhaupt ins Universum zu blicken. Und zwar – in das eigene.

Jede Entdeckung liegt allein in Dir

Denn niemand wird die Antwort jemals wo anders finden als in sich selbst. Dieses „In sich Selbst“ ist nunmal der Ort, aus dem alles heraus entsteht und in den gleichzeitig alles hineindriftet. Dieser Ort benötigt die absolute Kompromisslosigkeit.

Sonst kann man ihn einfach nicht sehen. Sonst stört immer etwas die Sicht darauf. Irgendein anderes Interesse. Irgendein anderes Interesse zieht die Aufmerksamkeit ab und verhindert, dass das Wirkliche gesehen werden kann, das Einzige, was wirklich ist. Nur wenn man an allem anderen das Interesse verloren hat, erkennt man das, was ist.

Denn nur dann ist man bereit hinzusehen. Vorher will man immer noch irgendetwas sehen und genau das verhindert, dass es sich zeigen kann, wie es ist. Wie das scheueste Reh des Universums. Es zeigt sich nur dann, wenn Du wirklich nichts von ihm willst, als es zu sehen. Genau so wie es ist. Ohne irgendeine Vorstellung von ihm. Keine Reflexion.

Als wärst Du das scheueste Reh des Universums …

Doch so musst Du vorher mit Dir selbst umgehen lernen. Erst wenn Du aufhörst irgendetwas von Dir zu wollen, wirst Du Dich so erfahren, wie Du wirklich bist. Denn so lange Du noch nicht mal merkst, wie sehr Du nach irgendeinem Bild von Dir lebst, dass Du noch nicht mal genau kennst, dass Dir möglichst gute Gefühle beschaffen soll, wenn es um Dich geht, so lange wirst Du leiden und Dich verpassen.

Weil das, was Du bist in Wahrheit absolut kompromisslos es selbst ist und sich von nichts und niemandem korrumpieren lässt. Für nichts auf der Welt. Denn es weiß, dass es die einzige Wahrheit ist, für die es sich lohnt zu sterben.

Weil Du in diesem Tod erst wahrhaft lebendig wirst. Nicht als irgendeine Idee von Lebendigkeit und Glück. Sondern als echter Tod jedes Eigenwillens, der glaubt das, was er will, bereits zu kennen. Das ist die ewige Falle. Diese vage Vorstellung davon, was man finden will. Solange sie da ist, hält man an sich selbst als Vorstellung fest. Man muss sich loslassen, wie die Töne, die auseinanderdriften – in die Ewigkeit hinein, in der noch nie Töne erklungen sind.

Loslassen geschieht durch innere Expansion …

So sehr muss man sich loslassen und darin erkennen, dass selbst das Ich noch etwas ist, das eine Struktur hat, die wahrgenommen werden kann. Ein bloßer Gedanke!

Und weil er wahrgenommen werden kann, kannst Du unmöglich sein, was er ist. Das wird im Loslassen klar. Wenn sich die Rhythmen der Musik verlieren, wenn die Klänge ihre Verbindungen lösen, weil es sie unendlich sanft und beharrlich in die Stille zieht … dann stirbst Du als gelebte Vorstellung.

Und erstehst auf als wahres Sein, das sich Selbst als lebendig wahrnimmt. Wo sich alles Strukturelle auflöst und erlöst. Wenn Du dort angekommen bist, befindest Du Dich am Rand Deines (des) Universums. Hier lodert das Licht des Bewusstseins aus sich selbst heraus und nur für sich selbst.

Hier bin ich zu Hause. Und Du auch und absolut alles andere. Weiter können wir nicht gehen. denn dort, wo das Jenseits beginnt, war das Diesseits nur ein Traum, den niemand träumt. Und dort, wo das Diesseits erwacht, hat das Jenseits niemals aufgehört zu sein. Von hier aus ist jeder Atemzug der Atem des Absoluten, der sich in diesen Augenblick ergießt, in diesen Blick durch Deine Augen, in diesen Moment Deiner Zeit, in den Pulsschlag Deines Lebens.

 

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